Abweichungsanalyse: Definition, Formel, Beispiel und FAQs
Die Abweichungsanalyse, auch als Varianzanalyse bekannt, ist ein zentrales Instrument im Management Accounting, das die Unterschiede zwischen geplanten (Soll-) und tatsächlichen (Ist-) Werten untersucht. Sie gehört zur Kategorie der Leistungsbeurteilung und des Kostenmanagements und ermöglicht es Unternehmen, die Ursachen für finanzielle oder operative Ungleichheiten zu identifizieren. Durch die systematische Untersuchung dieser Differenzen können Manager fundierte Entscheidungen zur Steuerung von Kosten, Einnahmen und Effizienz treffen.
Historie und Ursprung
Die Wurzeln der Abweichungsanalyse liegen in der Entwicklung des Standard Costing und der Budgetierung im frühen 20. Jahrhundert. Mit dem Aufkommen der industriellen Massenproduktion und der Notwendigkeit einer präzisen Kostenkontrolle erkannten Unternehmen, dass ein reiner Soll-Ist-Vergleich nicht ausreichte. Es wurde notwendig, die Ursachen für Abweichungen zu zerlegen, um nicht nur festzustellen, ob eine Abweichung vorlag, sondern auch, warum sie auftrat. Die systematische Zerlegung von Gesamtabweichungen in Unterkategorien wie Preis- und Mengenabweichungen entwickelte sich als Reaktion auf den Bedarf an detaillierteren Erkenntnissen zur Produktionskosten und zur Steigerung der betrieblichen Effizienz.
Kernpunkte
- Die Abweichungsanalyse vergleicht Sollwerte (geplant) mit Istwerten, um Leistungsunterschiede zu identifizieren.
- Sie zerlegt Gesamtabweichungen in spezifische Komponenten (z.B. Preis, Menge), um deren Ursachen zu bestimmen.
- Ergebnisse der Abweichungsanalyse dienen der fundierten Entscheidungsfindung, der Anpassung von Budgets und der Verbesserung operativer Prozesse.
- Sie ist ein unverzichtbares Instrument für das Finanzmanagement und die Rentabilitätsanalyse in Unternehmen jeder Größe.
- Eine effektive Abweichungsanalyse erfordert präzise Daten und ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Geschäftsprozesse.
Formel und Berechnung
Die grundlegende Formel der Abweichungsanalyse ist die Differenz zwischen dem Istwert und dem Sollwert. Diese Gesamtabweichung kann dann weiter in verschiedene Unterabweichungen zerlegt werden, wie zum Beispiel Preisabweichungen und Mengenabweichungen.
Gesamtkostenabweichung:
Diese Gesamtabweichung kann für variable Produktionskosten typischerweise in zwei Hauptkomponenten zerlegt werden:
1. Preisabweichung:
Die Preisabweichung misst den Effekt des Unterschieds zwischen dem tatsächlichen Preis und dem Standardpreis eines Inputs, multipliziert mit der tatsächlichen Menge des Inputs.
2. Mengenabweichung:
Die Mengenabweichung misst den Effekt des Unterschieds zwischen der tatsächlich verwendeten Menge und der Standardmenge eines Inputs, multipliziert mit dem Standardpreis des Inputs.
Für Umsatzerlöse gibt es analog Preis- und Mengenabweichungen, die den Unterschied zwischen tatsächlichen und budgetierten Verkaufspreisen oder Verkaufsmengen widerspiegeln.
Interpretation der Abweichungsanalyse
Die Interpretation der Abweichungsanalyse ist entscheidend, um aus den Zahlen konkrete Maßnahmen abzuleiten. Eine positive Abweichung (Ist > Soll) ist bei Kostenabweichungen typischerweise ungünstig, da sie darauf hindeutet, dass mehr ausgegeben wurde als geplant. Bei Umsatzabweichungen ist eine positive Abweichung (Ist > Soll) hingegen günstig, da sie auf höhere Einnahmen als erwartet hinweist.
Manager müssen nicht nur die Art der Abweichung (günstig/ungünstig) erkennen, sondern auch die Ursachen analysieren. Eine ungünstige Kostenabweichung könnte beispielsweise auf höhere Einkaufspreise für Rohmaterialien oder einen ineffizienteren Einsatz von Ressourcen zurückzuführen sein. Eine günstige Umsatzabweichung könnte das Ergebnis unerwartet hoher Nachfrage oder erfolgreicher Marketingkampagnen sein. Die Abweichungsanalyse hilft dabei, Verantwortlichkeiten zuzuordnen und Korrekturmaßnahmen einzuleiten oder erfolgreiche Strategien zu wiederholen.
Hypothetisches Beispiel
Ein Hersteller von Stühlen plant für den Monat Juli die Produktion von 1.000 Stühlen. Der Standardpreis für Holz pro Stuhl beträgt 10 EUR, und die Standardmenge an Holz beträgt 0,5 Kubikmeter pro Stuhl.
Im Juli werden tatsächlich 950 Stühle produziert.
- Istpreis Holz: 11 EUR pro Kubikmeter
- Istmenge Holz: 500 Kubikmeter
Sollkosten Holz:
1.000 Stühle * 0,5 m³/Stuhl * 10 EUR/m³ = 5.000 EUR
Istkosten Holz:
500 m³ * 11 EUR/m³ = 5.500 EUR
Gesamtkostenabweichung:
5.500 EUR (Ist) - 5.000 EUR (Soll) = 500 EUR (Ungünstig)
Preisabweichung Holz:
Die ungünstige Preisabweichung bedeutet, dass für das Holz mehr bezahlt wurde als geplant.
Mengenabweichung Holz:
Zuerst müssen wir die Standardmenge für die tatsächlich produzierte Menge von 950 Stühlen berechnen:
Nun die Mengenabweichung:
Die ungünstige Mengenabweichung zeigt, dass mehr Holz verbraucht wurde, als für die tatsächlich produzierte Menge an Stühlen erforderlich gewesen wäre.
Die Gesamtabweichung von 500 EUR setzt sich hier aus einer ungünstigen Preisabweichung von 500 EUR und einer ungünstigen Mengenabweichung von 250 EUR zusammen. Dies ergibt 750 EUR ungünstig. Moment, hier liegt ein Fehler in der Rechnung des hypothetischen Beispiels.
Let's re-calculate. The total actual cost is 5,500. The standard cost for the actual production is 950 chairs * 0.5 m³/chair * 10 EUR/m³ = 4,750 EUR.
The total variance (actual vs. standard for actual output) should be 5,500 - 4,750 = 750 EUR unfavorable.
The sum of the two variances should equal the total variance.
Price Variance = (Actual Price - Standard Price) * Actual Quantity = (11 - 10) * 500 = 500 (U)
Quantity Variance = (Actual Quantity - Standard Quantity for Actual Output) * Standard Price = (500 - 475) * 10 = 250 (U)
Total Variance = 500 (U) + 250 (U) = 750 (U). This matches.
The initial "Sollkosten Holz" was based on 1000 chairs (planned production), not 950 (actual production). For a correct comparison in variance analysis, we need to compare actual costs with standard costs for actual output.
My "Gesamtkostenabweichung" calculation was against the original budget, not the flexible budget. I need to be precise here for a hypothetical example.
Let's revise the example to be clearer and align with typical variance analysis:
Ein Stuhlhersteller plant für den Monat Juli die Produktion von Stühlen. Für einen Stuhl ist ein Standardpreis für Holz von 10 EUR pro Kubikmeter und eine Standardmenge von 0,5 Kubikmeter Holz pro Stuhl vorgesehen.
Im Juli wurden tatsächlich 950 Stühle produziert. Für diese Produktion wurden 500 Kubikmeter Holz zu einem Istpreis von 11 EUR pro Kubikmeter eingekauft und verbraucht.
Berechnung der Abweichungen für Holz:
-
Sollkosten für die tatsächliche Produktion (Flexible Budget):
- Tatsächliche produzierte Menge: 950 Stühle
- Standard-Holzmenge pro Stuhl: 0,5 m³
- Standard-Holzpreis pro m³: 10 EUR
- Sollkosten = 950 Stühle × 0,5 m³/Stuhl × 10 EUR/m³ = 4.750 EUR
-
Istkosten für Holz:
- Tatsächlich verbrauchte Holzmenge: 500 m³
- Tatsächlicher Holzpreis pro m³: 11 EUR
- Istkosten = 500 m³ × 11 EUR/m³ = 5.500 EUR
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Gesamtkostenabweichung:
- 5.500 EUR (Istkosten) - 4.750 EUR (Sollkosten für Istproduktion) = 750 EUR (Ungünstig)
-
Preisabweichung Holz:
Die ungünstige Preisabweichung von 500 EUR deutet darauf hin, dass der Einkaufspreis für Holz höher war als der Standardpreis.
-
Mengenabweichung Holz:
- Standardmenge für Istproduktion = 950 Stühle × 0,5 m³/Stuhl = 475 m³
Die ungünstige Mengenabweichung von 250 EUR zeigt, dass mehr Holz verbraucht wurde, als für die tatsächlich produzierte Menge an Stühlen bei Standardverbrauch vorgesehen war. Dies könnte auf Materialverschwendung oder ineffiziente Prozesse hinweisen.
Die Summe der Preis- und Mengenabweichung (500 EUR + 250 EUR = 750 EUR) entspricht der Gesamtkostenabweichung, die sich aus dem Vergleich der Istkosten mit den Sollkosten für die tatsächliche Produktion ergibt. Diese Abweichungsanalyse ermöglicht dem Management, gezielt zu untersuchen, ob die Einkaufspreise oder der Materialverbrauch die Hauptursachen für die höheren Kosten waren.
Praktische Anwendungen
Die Abweichungsanalyse findet in verschiedenen Bereichen der Betriebswirtschaft Anwendung und ist ein unverzichtbares Werkzeug für das Controlling.
- Produktionsmanagement: Unternehmen nutzen die Abweichungsanalyse, um Ineffizienzen in der Fertigung aufzudecken, z.B. zu hohen Materialverbrauch oder zu lange Arbeitszeiten im Vergleich zu Standards.
- Budgetüberwachung: Regierungen und Unternehmen setzen die Abweichungsanalyse ein, um die Einhaltung von Haushaltsplänen zu überwachen. Wenn Großprojekte wie Infrastrukturvorhaben das Budget überschreiten, ist dies ein klares Indiz für ungünstige Abweichungen, die eine genaue Untersuchung erfordern. Großprojekte, insbesondere im Bauwesen, sind häufig von erheblichen Kostenüberschreitungen betroffen, die weit über die ursprünglichen Schätzungen hinausgehen können. Die Analyse dieser Abweichungen ist entscheidend, um die Gründe für die Mehrkosten zu verstehen und für zukünftige Projekte zu lernen.
8, 9* Umsatzanalyse: Im Vertrieb hilft sie, Abweichungen von den geplanten Umsätzen zu analysieren und die Ursachen für höhere oder niedrigere Verkaufszahlen zu identifizieren (z.B. Preisänderungen, Mengenabweichungen aufgrund von Marktbedingungen). - Leistungsbeurteilung: Manager nutzen die Abweichungsanalyse, um die Leistung von Abteilungen, Projekten oder einzelnen Mitarbeitern zu beurteilen und Anreizsysteme zu gestalten.
- Strategische Planung: Die Erkenntnisse aus der Abweichungsanalyse fließen in die zukünftige Planung und Budgetierung ein, um realistischere Ziele zu setzen und Risiken besser zu managen. Unternehmen wie Target haben beispielsweise deutliche Gewinneinbußen aufgrund von Lieferkettenproblemen und Inflation verzeichnet, was die Bedeutung der Abweichungsanalyse für die Identifizierung von unerwarteten Einflüssen unterstreicht. Die Federal Reserve betont zudem in ihren Leitprinzipien für das Management operationeller Risiken die Wichtigkeit der Überwachung von Abweichungen,7 um potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und zu mindern.
Grenzen und Kritikpunkte
Obwohl die Abweichungsanalyse ein mächtiges Instrument ist, weist sie auch Grenzen auf und ist Gegenstand von Kritik.
*6 Vergangenheitsorientierung: Die Abweichungsanalyse blickt primär zurück auf geschehene Ereignisse. Sie erklärt, was passiert ist, gibt aber keine direkten Hinweise auf zukünftige Entwicklungen oder proaktive Lösungen.
- Fokus auf Finanzkennzahlen: Sie konzentriert sich oft ausschließlich auf finanzielle Abweichungen und vernachlässigt nicht-finanzielle Aspekte wie Qualität, Kundenzufriedenheit oder Innovation, die für den langfristigen Erfolg ebenso wichtig sein können.
- Gefahr der Schuldzuweisung: Die Ergebnisse können missbraucht werden, um Mitarbeiter oder Abteilungen vorschnell zur Rechenschaft zu ziehen, ohne die zugrunde liegenden Ursachen vollständig zu verstehen. Dies kann zu Demotivation oder Manipulation von Daten führen, um günstige Abweichungen vorzutäuschen.
- Abhängigkeit von Standards: Die Qualität der Abweichungsanalyse hängt stark von der Genauigkeit und Realistik der festgelegten Standardwerte ab. Unpräzise oder veraltete Standards können zu irreführenden Abweichungen führen.
- Ignoranz von Interdependenzen: Die Zerlegung von Abweichungen in isolierte Preis- und Mengenkomponenten kann die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Faktoren übersehen. Eine günstige Preisabweichung könnte beispielsweise durch den Kauf minderwertiger Materialien erreicht werden, was später zu ungünstigen Mengenabweichungen durch erhöhten Ausschuss führen kann. Kritiker weisen darauf hin, dass die Abweichungsanalyse zu mechanistisch sein kann und nicht die volle Komplexität der Leistungsmessung abbildet.
Abweichungsanalyse vs. Budgetierung
Während sowohl die Abweichungsanalyse als auch die Budgetierung zentrale Konzepte im Finanz5management sind, dienen sie unterschiedlichen Zwecken und sind doch eng miteinander verbunden.
Merkmal | Abweichungsanalyse | Budgetierung |
---|---|---|
Zweck | Erklärung von Differenzen zwischen Ist und Soll; Identifizierung von Ursachen. | Planung zukünftiger finanzieller Aktivitäten; Festlegung von Zielen. |
Fokus | Kontrolle der Umsetzung; Ursachenforschung für Leistungsunterschiede. | Zukunftsgerichtet; Ressourcenallokation; Zielsetzung. |
Zeitpunkt | Nach Ablauf einer Periode (vergangenheitsorientiert). | Vor Beginn einer Periode (zukunftsorientiert). |
Ergebnis | Günstige oder ungünstige Abweichungen; Erkenntnisse für Korrekturmaßnahmen. | Finanzielle Pläne; Sollvorgaben; Leistungsziele. |
Beziehung | Vergleicht Istwerte mit den durch die Budgetierung festgelegten Sollwerten. | Liefert die Sollwerte, die als Basis für die Abweichungsanalyse dienen. |
Die Budgetierung legt die finanziellen Ziele und Erwartungen fest. Die Abweichungsanalyse hingegen bewertet, wie gut diese Ziele erreicht wurden und warum es zu Abweichungen kam. Sie ist somit ein Instrument zur Kontrolle und Verbesserung der durch die Budgetierung vorgegebenen Pläne.
FAQs
Was ist eine günstige Abweichung?
Eine günstige Abweichung bedeutet, dass das tatsächliche Ergebnis besser ist als geplant. Bei Kosten liegt sie vor, wenn die Istkosten unter den Sollkosten liegen. Bei Umsatzerlösen ist sie gegeben, wenn die Istumsätze über den Sollumsätzen liegen.
Wann ist eine Abweichung signifikant?
Die Signifikanz einer Abweichung hängt vom Kontext ab. Ein kleiner absoluter Betrag kann in Bezug auf ein kleines Budget signifikant sein, während ein großer Betrag bei einem sehr großen Budget unbedeutend sein kann. Unternehmen legen oft Toleranzgrenzen oder prozentuale Schwellenwerte fest, ab denen eine Abweichung als signifikant gilt und eine weitere Untersuchung erfordert.
Wer ist für Abweichungen verantwortlich?
Die Verantwortung für Abweichungen wird oft der Abteilung oder dem Manager zugewiesen, die(der) für die Kontrolle der entsprechenden Kosten oder Einnahmen zuständig ist. Eine Preisabweichung könnte beispielsweise der Einkaufsabteilung zugerechnet werden, während eine Mengenabweichung der Produktionsleitung obliegen könnte. Es ist jedoch wichtig, externe Faktoren und Wechselwirkungen zu berücksichtigen, die außerhalb des Einflussbereichs einer einzelnen Abteilung liegen.
Wie oft sollte eine Abweichungsanalyse durchgeführt werden?
Die Häufigkeit der Abweichungsanalyse hängt von der Art des Unternehmens, der Volatilität der Geschäftsumgebung und der Notwendigkeit der Entscheidungsfindung ab. Viele Unternehmen führen sie monatlich durch, um eine zeitnahe Reaktion auf Probleme zu ermöglichen. Für kritische Projekte oder volatile Bereiche kann eine wöchentliche oder sogar tägliche Analyse sinnvoll sein.
Ist Abweichungsanalyse nur für große Unternehmen relevant?
Nein, die Prinzipien der Abweichungsanalyse sind für Unternehmen jeder Größe relevant. Auch kleine und mittlere Unternehmen können von einem Vergleich ihrer tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben mit ihren Plänen profitieren, um die Profitabilität zu verbessern und fundierte Entscheidungen zu treffen. Das Konzept des Vergleichs von Soll und Ist ist universell im Finanzwesen.
Quellen:
Lowe, A. (2008). Performance Measurement and Control Systems: The Case of Variance Analysis. University of Lancaster. [https://eprints.lancs.ac.uk/id/eprint/41199/1/Lowe_Variance_analysis.pdf]
Board of Governors of the Federal Reser4ve System. (2008). Sound Practice for Managing Operational Risk (SR 08-07 / CA 08-11). Attachment 1: Guiding Principles for the Management of Operational Risk. [https://www.federalreserve.gov/su3pervision-regulatory-reporting/files/sr0807a1.pdf]
New York Times. (2023, November 2). The Megaprojects Are Booming. So Are Their Cost Overruns. [https://www.nytimes.com/2023/11/02/business/government-projects-cost-overruns-megaprojects.html]
Reuters. (2022, May 17). Target warns of2 steep profit hit, cuts inventory. [https://www.reuters.com/business/retail-consumer/target-warns-steep-profit-hit-cuts-inventory-2022-05-17/]1