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Bewertungsgrundsaetze

Was sind Bewertungsgrundsätze?

Bewertungsgrundsätze sind die grundlegenden Regeln und Leitlinien, die bei der Bestimmung des Werts von Vermögenswerten, Verbindlichkeiten oder ganzen Unternehmen angewendet werden. Sie bilden das ethische und methodische Fundament der Unternehmensbewertung und stellen sicher, dass Bewertungen konsistent, transparent und nachvollziehbar sind. Diese Grundsätze leiten Gutachter und Analysten bei der Auswahl geeigneter Finanzanalyse-Methoden und der Interpretation von Bewertungsergebnissen. Die Einhaltung der Bewertungsgrundsätze ist entscheidend, um Vertrauen in die ermittelten Werte zu schaffen, insbesondere im Kontext der Rechnungslegung und bei wichtigen Finanzentscheidungen.

Geschichte und Ursprung

Die Entwicklung der Bewertungsgrundsätze ist eng mit der Evolution der Rechnungslegung und der Finanzmärkte verbunden. Mit zunehmender Komplexität von Geschäftsmodellen und Finanztransaktionen entstand ein wachsender Bedarf an standardisierten und vergleichbaren Bewertungsverfahren. Historisch wurden Bewertungen oft auf Basis von Kosten oder Buchwerten vorgenommen. Mit der Zeit, insbesondere im 20. Jahrhundert und verstärkt nach großen Wirtschaftskrisen, rückte die Bedeutung des "wahren" oder "fairen" Werts in den Vordergrund. Organisationen wie das Financial Accounting Standards Board (FASB) in den Vereinigten Staaten und die IFRS Foundation international haben Rahmenwerke und Standards entwickelt, die grundlegende Bewertungsgrundsätze festlegen. Das FASB hat beispielsweise die Generally Accepted Accounting Principles (GAAP) etabliert, die die Bilanzierung und damit indirekt auch die Bewertung maßgeblich beeinflussen. Parallel dazu4 hat die IFRS Foundation mit den International Financial Reporting Standards (IFRS) eine globale Sprache für die Finanzberichterstattung geschaffen, die darauf abzielt, Transparenz und Vergleichbarkeit zu fördern. Diese Standards3 legen fest, wie Vermögenswerte und Schulden in Bilanzen zu erfassen sind, was wiederum die Basis für deren Bewertung bildet und die Bedeutung einheitlicher Bewertungsgrundsätze unterstreicht.

Kernpunkte

  • Bewertungsgrundsätze sind die fundamentalen Regeln für die Ermittlung des Wertes von Vermögenswerten, Verbindlichkeiten oder ganzen Unternehmen.
  • Sie gewährleisten Konsistenz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Bewertungen.
  • Die Grundsätze leiten die Auswahl von Bewertungsmethoden und die Interpretation von Ergebnissen.
  • Ihre Einhaltung ist entscheidend für das Vertrauen in Finanzberichte und Anlageentscheidungen.

Interpretation der Bewertungsgrundsätze

Die Bewertungsgrundsätze dienen als Rahmen, innerhalb dessen Finanzexperten den Wert von Objekten bestimmen. Sie sind nicht starr, sondern erfordern oft professionelles Urteilsvermögen, um sie auf spezifische Situationen anzuwenden. Beispielsweise verlangen die Grundsätze, dass Bewertungen objektiv und frei von persönlichen Vorurteilen erfolgen. Dies bedeutet, dass bei der Bestimmung des Fair Value oder Marktwert eines Vermögenswerts alle verfügbaren relevanten Informationen berücksichtigt werden müssen. Die Grundsätze verlangen auch, dass die Annahmen, die einer Bewertung zugrunde liegen, angemessen und nachvollziehbar sind und dass die Bewertung die wirtschaftliche Realität des zu bewertenden Objekts widerspiegelt. Die Qualität einer Bewertung hängt maßgeblich davon ab, wie sorgfältig und gewissenhaft diese Grundsätze angewendet werden.

Hypothetisches Beispiel

Ein mittelständisches Technologieunternehmen, TechSolutions GmbH, plant den Kauf eines kleineren Start-ups, InnovateNow. Um einen fairen Kaufpreis zu bestimmen, wird eine Unternehmensbewertung durchgeführt. Die Bewertungsgrundsätze schreiben vor, dass die Bewertung objektiv, transparent und unter Berücksichtigung aller relevanten Informationen erfolgen muss.

Der Gutachter von TechSolutions entscheidet sich, den Wert von InnovateNow hauptsächlich auf der Basis der erwarteten zukünftigen Cashflows zu ermitteln, da das Start-up noch keine hohen Gewinne erzielt, aber ein hohes Wachstumspotenzial hat. Dies erfordert die Anwendung einer Discounted Cash Flow (DCF)-Methode. Die Bewertungsgrundsätze erfordern hierbei:

  1. Objektivität: Der Gutachter muss plausible und unvoreingenommene Annahmen über Umsatzwachstum, Kostenstrukturen und das Wagniskapital des Start-ups treffen, ohne vom Wunsch der TechSolutions, einen niedrigen Preis zu zahlen, beeinflusst zu werden.
  2. Transparenz: Alle Annahmen (z. B. Wachstumsraten, Abzinsungsfaktor) und die gewählte Methodik müssen klar dokumentiert und begründet werden.
  3. Wirtschaftlichkeit: Der Gutachter berücksichtigt nicht nur die historischen Finanzdaten von InnovateNow, sondern auch die Marktposition, die Wettbewerbslandschaft und das Potenzial für zukünftige Skalierung. Zusätzlich werden Vergleichsunternehmen zur Plausibilisierung herangezogen.

Durch die strikte Einhaltung dieser Bewertungsgrundsätze kann TechSolutions sicherstellen, dass der ermittelte Wert von InnovateNow eine fundierte Grundlage für die Kaufentscheidung bildet und das Risiko einer Überzahlung oder einer Fehlbewertung minimiert wird.

Praktische Anwendungen

Bewertungsgrundsätze finden in einer Vielzahl von finanziellen und geschäftlichen Kontexten Anwendung:

  • Mergers & Acquisitions (M&A): Bei Fusionen und Übernahmen sind sie unerlässlich, um faire Kaufpreise zu bestimmen und die Due Diligence zu unterstützen.
  • Finanzberichterstattung: Unternehmen müssen ihre Sachanlagen und andere Vermögenswerte in Übereinstimmung mit Rechnungslegungsstandards (z. B. IFRS oder GAAP) bewerten, was die Anwendung spezifischer Bewertungsgrundsätze erfordert.
  • Rechtliche und steuerliche Zwecke: Bei Gerichtsverfahren, Erbschaften oder Scheidungen sowie zur Bestimmung von Steuerbemessungsgrundlagen werden oft unabhängige Bewertungen nach festen Grundsätzen benötigt.
  • Portfolioverwaltung: Investoren und Fondsmanager nutzen Bewertungsgrundsätze, um das Risiko und die Attraktivität von Anlageentscheidungen zu beurteilen und die Risikobewertung von Vermögenswerten zu verbessern.
  • Emission von Wertpapieren: Bei Börsengängen oder der Ausgabe neuer Anleihen müssen Unternehmen ihren Wert plausibel darlegen, um Investoren anzuziehen.
  • Sanierung und Insolvenz: In Krisenzeiten helfen Bewertungsgrundsätze, den Liquidationswert oder den Fortführungswert eines Unternehmens zu bestimmen.

Die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (SEC) legt detaillierte Offenlegungspflichten für Unternehmen fest, die ihre Aktien an US-Börsen notieren, was auch die Einhaltung strenger Bewertungs- und Rechnungslegungsgrundsätze einschließt. In der Praxis können jedoch, wie der Markt für Special Purpose Acquisition Companies 2(SPACs) gezeigt hat, Herausforderungen bei der Anwendung von Bewertungsgrundsätzen auftreten, insbesondere wenn es um die Bewertung von Zielunternehmen nach einer Fusion geht.

Grenzen und Kritikpunkte

Obwohl Bewertungsgrundsätze für Konsistenz und Transparenz1 sorgen sollen, gibt es auch Grenzen und Kritikpunkte:

  • Subjektivität und Ermessensspielraum: Trotz der Grundsätze bleibt in vielen Bewertungsprozessen ein gewisses Maß an subjektivem Urteilsvermögen. Insbesondere bei der Bewertung von Immaterielle Vermögenswerte oder Goodwill sind Annahmen über zukünftige Entwicklungen oft spekulativ.
  • Komplexität und Informationsasymmetrie: Die Anwendung mancher Grundsätze kann sehr komplex sein und erfordert umfangreiches Fachwissen. Zudem haben nicht alle Parteien Zugang zu denselben Informationen, was zu unterschiedlichen Bewertungsergebnissen führen kann.
  • Abhängigkeit von Modellen: Bewertungen basieren oft auf Finanzmodellen. Wenn diese Modelle auf fehlerhaften Annahmen basieren oder die Realität nicht ausreichend abbilden, können auch die Ergebnisse irreführend sein.
  • Vergangenheit vs. Zukunft: Viele Bewertungsgrundsätze basieren auf historischen Daten oder aktuellen Marktbedingungen. Zukünftige Ereignisse oder unerwartete Marktveränderungen können jedoch den tatsächlichen Wert erheblich beeinflussen.
  • Anfälligkeit für Manipulation: Obwohl die Grundsätze Transparenz fördern sollen, können sie, wenn sie nicht streng überwacht werden, Spielräume für die Einflussnahme auf die Bewertungsergebnisse bieten, um bestimmte Interessen zu bedienen (z. B. höhere Boni oder niedrigere Steuerlast). Die Bilanzierung und Offenlegung nach internationalen Standards ist hierbei ein wichtiger Schritt zur Reduzierung solcher Risiken.

Bewertungsgrundsätze vs. Bewertungsmethoden

Der Unterschied zwischen Bewertungsgrundsätzen und Bewertungsmethoden ist fundamental. Bewertungsgrundsätze sind die übergeordneten Leitlinien und Prinzipien, die ethisches Verhalten, Objektivität und Konsistenz bei der Bewertung vorschreiben. Sie sind das "Warum" und "Wie" der Bewertung auf einer konzeptionellen Ebene. Beispiele hierfür sind der Grundsatz der Vorsicht, der Stetigkeit oder der Einzelbewertung. Bewertungsmethoden hingegen sind die spezifischen Techniken und Formeln, die angewendet werden, um einen Wert zu berechnen. Sie sind das "Was" und "Wie konkret" der Bewertung. Beispiele für Bewertungsmethoden sind das Discounted Cash Flow (DCF)-Verfahren, die Multiplikator-Methode oder das Substanzwertverfahren. Die Bewertungsgrundsätze bestimmen, welche Bewertungsmethode in einem bestimmten Fall angemessen ist und wie diese Methode korrekt anzuwenden und zu interpretieren ist. Ohne die leitenden Grundsätze könnten Methoden willkürlich eingesetzt werden, was zu inkonsistenten und nicht vergleichbaren Ergebnissen führen würde.

FAQs

1. Warum sind Bewertungsgrundsätze so wichtig?

Bewertungsgrundsätze sind essenziell, da sie die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von Finanzinformationen gewährleisten. Sie sorgen dafür, dass Bewertungen auf einer einheitlichen Basis erfolgen und für verschiedene Stakeholder wie Investoren, Gläubiger und Aufsichtsbehörden nachvollziehbar sind. Ohne sie gäbe es keine konsistente Grundlage für die Bestimmung des Werts von Vermögenswerten, von Sachanlagen bis hin zu komplexen Unternehmen.

2. Wer legt Bewertungsgrundsätze fest?

Bewertungsgrundsätze werden von verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen festgelegt und weiterentwickelt. Dazu gehören Rechnungslegungsstandardsetter wie das Financial Accounting Standards Board (FASB) in den USA oder die IFRS Foundation (mit dem International Accounting Standards Board, IASB) auf internationaler Ebene. Auch Berufsverbände von Gutachtern und Wirtschaftsprüfern sowie Regulierungsbehörden tragen zur Definition und Durchsetzung dieser Grundsätze bei.

3. Können Bewertungsgrundsätze sich ändern?

Ja, Bewertungsgrundsätze können sich im Laufe der Zeit ändern und weiterentwickeln. Dies geschieht oft als Reaktion auf neue wirtschaftliche Gegebenheiten, Finanzkrisen, technologische Fortschritte oder den Bedarf an mehr Transparenz. Die ständige Anpassung soll sicherstellen, dass die Grundsätze relevant bleiben und die Komplexität moderner Finanzmärkte angemessen widerspiegeln. Beispielsweise haben sich die Anforderungen an die Bilanzierung von Derivaten oder immateriellen Vermögenswerten im Laufe der Jahre stark verändert.

4. Welchen Einfluss haben Bewertungsgrundsätze auf die Kapitalkosten?

Bewertungsgrundsätze haben einen indirekten, aber wichtigen Einfluss auf die Kapitalkosten eines Unternehmens. Eine transparente und nachvollziehbare Bewertung, die auf soliden Grundsätzen basiert, reduziert die Unsicherheit für Investoren. Geringere Unsicherheit führt in der Regel zu einer niedrigeren Risikoprämie, die Investoren für ihr Kapital verlangen. Unternehmen, die klare und konforme Bewertungen vorlegen, können dadurch potenziell von günstigeren Finanzierungsbedingungen profitieren, da das Vertrauen der Kapitalgeber gestärkt wird.

5. Gelten Bewertungsgrundsätze nur für große Unternehmen?

Nein, Bewertungsgrundsätze gelten nicht nur für große, börsennotierte Unternehmen. Sie sind universell anwendbar, obwohl der Grad der Formalität und Komplexität je nach Größe und Art des bewerteten Objekts variieren kann. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen bei der Erstellung ihrer Jahresabschlüsse oder bei der Verhandlung von Verkäufen und Nachfolgeregelungen grundlegende Bewertungsgrundsätze beachten, um eine faire und nachvollziehbare Wertbestimmung zu gewährleisten.

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