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Einkommensverteilung

Was ist Einkommensverteilung?

Die Einkommensverteilung beschreibt, wie das gesamte Einkommen einer Volkswirtschaft unter ihren einzelnen Mitgliedern oder Gruppen, wie etwa Privathaushalten, aufgeteilt ist. Sie ist ein zentrales Thema der Volkswirtschaftslehre und der Wirtschaftspolitik, da eine ungleiche Verteilung des Einkommens zu wirtschaftlicher Ungleichheit führen kann. Die Analyse der Einkommensverteilung hilft dabei, die Verteilungsgerechtigkeit in einer Gesellschaft zu bewerten und die Auswirkungen von Wirtschaftswachstum sowie politischer Maßnahmen zu verstehen. Dabei wird zwischen der primären Einkommensverteilung (Markteinkommen vor Steuern und Transfers) und der sekundären Einkommensverteilung (verfügbares Einkommen nach Steuern und Transfers) unterschieden.

Geschichte und Ursprung

Die Erforschung der Einkommensverteilung hat eine lange Tradition in der Ökonomie, die bis zu den klassischen Ökonomen wie Adam Smith, Thomas Malthus und David Ricardo zurückreicht, die sich hauptsächlich mit der Verteilung des Einkommens zwischen den Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital befassten. Moderne Ökonomen konzentrieren sich stärker auf die Verteilung des Einkommens auf Einzelpersonen und Haushalte.

Ein Meilenstein in der modernen Untersuchung der Einkommensverteilung war die Arbeit des Nobelpreisträgers Simon Kuznets in den 1950er Jahren. Kuznets stellte die Hypothese auf, dass die Einkommensungleichheit in den frühen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung zunächst zunimmt, bevor sie in späteren Phasen wieder abnimmt. Diese Beziehung wird als Kuznets-Kurve bezeichnet und bildet eine umgekehrte U-Form ab. Seine Erkennt12, 13nisse, die er unter anderem in seiner präsidialen Ansprache "Economic Growth and Income Inequality" (1955) vorstellte, haben die Diskussion über die Entwicklung der Ungleichheit im Zuge des wirtschaftlichen Fortschritts maßgeblich geprägt und wurden später auch auf Umweltfragen übertragen.

Kernpunkte

  • 11 Die Einkommensverteilung beschreibt die Aufteilung des gesamten Einkommens einer Volkswirtschaft unter ihren Mitgliedern oder Gruppen.
  • Sie ist ein fundamentaler Aspekt der Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik, der die wirtschaftliche Ungleichheit beleuchtet.
  • Wichtige Messgrößen zur Quantifizierung der Einkommensverteilung sind der Gini-Koeffizient und die Lorenz-Kurve.
  • Die Einkommensverteilung kann durch politische Maßnahmen wie Steuerpolitik und Sozialpolitik beeinflusst werden.
  • Eine ungleiche Einkommensverteilung kann soziale Spannungen und wirtschaftliche Instabilität hervorrufen.

Formel und Berechnung

Während die Einkommensverteilung selbst keinem einfachen Formel unterliegt, wird ihre Ungleichheit typischerweise mit spezifischen Metriken quantifiziert. Die am häufigsten verwendete und bekannteste ist der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit der Einkommensverteilung innerhalb einer Bevölkerung misst.

Der Gini-Koeffizient wird aus der Lorenz-Kurve abgeleitet. Die Lorenz-Kurve stellt kumulativ dar, welcher Prozentsatz des Gesamteinkommens von welchem Prozentsatz der Bevölkerung (geordnet nach Einkommen) verdient wird.

Der Gini-Koeffizient (G) wird berechnet als das Verhältnis der Fläche zwischen der Linie der Gleichverteilung (der 45-Grad-Linie, die perfekte Gleichheit repräsentiert) und der Lorenz-Kurve (A) zur gesamten Fläche unter der Linie der Gleichverteilung (A+B):

G=AA+BG = \frac{A}{A+B}

Dabei ist:

  • (A) = die Fläche zwischen der Linie der Gleichverteilung und der Lorenz-Kurve.
  • (B) = die Fläche unter der Lorenz-Kurve.

Der Gini-Koeffizient liegt zwischen 0 und 1 (oder 0 % und 100 %). Ein Wert von 0 bedeutet perfekte Gleichheit (jeder hat das gleiche Einkommen), während ein Wert von 1 perfekte Ungleichheit bedeutet (eine Person hat das gesamte Einkommen, der Rest nichts).

Interpretation der Einkommensverteilung

Die Interpretation der Einkommensverteilung erfolgt in der Regel anhand von Messgrößen wie dem Gini-Koeffizienten oder der Betrachtung von Einkommensquintilen oder -dezilen. Ein niedriger Gini-Koeffizient deutet auf eine relativ gleichmäßige Verteilung hin, während ein hoher Wert auf eine stärkere Konzentration des Einkommens bei einem kleineren Teil der Bevölkerung schließen lässt.

Ökonomen und politische Entscheidungsträger nutzen diese Daten, um Trends in der Haushaltseinkommensverteilung zu analysieren und festzustellen, ob die Ungleichheit zunimmt oder abnimmt. Beispielsweise kann die Entwicklung des Gini-Koeffizienten über die Zeit Aufschluss darüber geben, wie sich gesellschaftliche oder wirtschaftliche Veränderungen auf die Verteilung des Wohlstands auswirken. Eine Erhöhung der Ungleichheit wird oft mit potenziellen sozialen Spannungen und einer Verringerung der Kaufkraft der breiten Bevölkerung in Verbindung gebracht.

Organisationen wie die OECD sammeln und veröffentlichen umfassende Daten zur Einkommensverteilung, die einen internationalen Vergleich ermöglichen und die Grundlage für politische Debatten über Umverteilung und soziale Gerechtigkeit bilden. Die OECD Income Distribution Database ist eine wichtige Quelle für solche Analysen.

Hypothetisches Beispiel

Betrachten wir eine kleine,8, 9, 10 hypothetische Stadt mit zehn Haushalten und einem gesamten monatlichen Einkommen von 50.000 Euro.

  1. Szenario 1: Perfekte Gleichheit

    • Jeder der zehn Haushalte verdient 5.000 Euro pro Monat.
    • Die Einkommensverteilung ist perfekt gleichmäßig. Der Gini-Koeffizient wäre 0.
  2. Szenario 2: Ungleichheit

    • Ein Haushalt (10 %) verdient 20.000 Euro (40 % des Gesamteinkommens).
    • Vier Haushalte (40 %) verdienen jeweils 5.000 Euro (zusammen 20.000 Euro, 40 % des Gesamteinkommens).
    • Fünf Haushalte (50 %) verdienen jeweils 2.000 Euro (zusammen 10.000 Euro, 20 % des Gesamteinkommens).
    • In diesem Szenario wäre die Einkommensverteilung ungleich. Der Gini-Koeffizient wäre deutlich höher als 0, was auf eine Konzentration des Einkommens bei den reicheren Haushalten hinweist. Der reichste Haushalt verdient doppelt so viel wie die vier mittleren Haushalte und viermal so viel wie die fünf ärmsten Haushalte. Diese Art der Ungleichheit kann dazu führen, dass ein Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten hat, grundlegende Bedürfnisse zu decken oder die Armutsrisikoschwelle zu unterschreiten.

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie die gleiche Gesamtmenge an Einkommen (hier 50.000 Euro) auf sehr unterschiedliche Weisen verteilt sein kann, was weitreichende Implikationen für die Gesellschaft hat.

Praktische Anwendungen

Die Analyse der Einkommensverteilung hat vielfältige praktische Anwendungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

  • Wirtschaftspolitik: Regierungen nutzen Daten zur Einkommensverteilung, um die Wirksamkeit ihrer Sozialpolitik und Steuerpolitik zu bewerten. Maßnahmen wie progressive Besteuerung, Sozialleistungen und Mindestlöhne zielen darauf ab, die Einkommensungleichheit zu reduzieren. Das Statistische Bundesamt in Deutschland veröffentlicht regelmäßig Daten zur Einkommensverteilung, die eine Grundlage für solche politischen Entscheidungen bilden.
  • Investitionsanalyse: Anleger und Analysten können die Einkommensver6, 7teilung berücksichtigen, um Markttrends und das Konsumverhalten zu prognostizieren. Eine breitere Streuung des Einkommens kann beispielsweise auf ein stabileres und breiteres Konsumentenfundament hindeuten.
  • Internationale Organisationen: Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die OECD betrachten die Einkommensverteilung als entscheidenden Faktor für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und soziale Stabilität. Sie analysieren, wie fiskalische Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichheit beitragen können, wie im IMF Fiscal Monitor October 2017 diskutiert wird, der die Rolle der Fiskalpolitik bei der Erreichung redistributiver Ziele beleuchtet.
  • Sozialforschung: Die Einkommensverteilung ist ein Indikator für soziale Gere4, 5chtigkeit und kann Aufschluss über Themen wie Armut, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung geben.

Grenzen und Kritik

Obwohl die Analyse der Einkommensverteilung wertvolle Einblicke bietet, unterliegt sie bestimmten Grenzen und Kritiken.

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die Einkommensverteilung allein kein vollständiges Bild des wirtschaftlichen Wohlstands liefert, da sie die Vermögensverteilung nicht berücksichtigt. Eine Person mit geringem Einkommen, aber erheblichem Vermögen (z.B. Wohneigentum oder Erbschaften), kann finanziell besser gestellt sein, als es ihre Einkommensdaten vermuten lassen. Umgekehrt kann ein hohes Einkommen durch hohe Schulden oder Lebenshaltungskosten relativiert werden.

Zudem gibt es verschiedene Methoden zur Definition und Messung von "Einkommen" (z.B. Brutto- vs. Nettoeinkommen, verfügbares Einkommen), was die Vergleichbarkeit von Daten erschwert. Temporäre Schwankungen im Einkommen, die durch Arbeitsplatzwechsel, Boni oder einmalige Ge3winne entstehen, können die langfristige Einkommensverteilung verzerren.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die aggregierten Daten oft die Komplexität individueller Lebensumstände und regionaler Unterschiede übersehen. Beispielsweise können innerhalb eines Landes die Einkommensverteilungen in städtischen und ländlichen Gebieten oder zwischen verschiedenen Bundesländern erheblich variieren. Während die Kuznets-Kurve eine anfängliche Zunahme und anschließende Abnahme der Ungleichheit progn2ostizierte, zeigen neuere Studien und Daten, dass die Entwicklung der Ungleichheit komplexer sein kann und nicht immer einer einfachen U-Form folgt. So hat die Einkommensungleichheit in einigen reichen Ländern im 21. Jahrhundert wieder zugenommen, was die Annahme einer automatischen Angleichung durch Wirtschaftswachstum in Frage stellt.

Einkommensverteilung vs. Vermögensverteilung

Die Begriffe Einkommensverteilung und Vermögensverteilung werden oft verwechselt, beschreiben jedoch unterschiedliche Aspekte der wirtschaftlichen Ungleichheit.

MerkmalEinkommensverteilungVermögensverteilung
DefinitionDie Verteilung des Flusses an Einnahmen über einen Zeitraum (z.B. monatlich, jährlich) aus Löhnen, Gehältern, Mieten, Zinsen, Dividenden etc.Die Verteilung des Bestands an akkumulierten Vermögenswerten (Aktiva abzüglich Passiva) zu einem bestimmten Zeitpunkt.
MesszeitpunktZeitraumbezogen (Flow)Zeitpunktbezogen (Stock)
BestandteileLohn, Gehalt, Unternehmenseinkommen, Mieteinnahmen, Kapitalerträge etc.Immobilien, Finanzanlagen (Aktien, Anleihen), Sparguthaben, Sachwerte etc.
DynamikKurz- bis mittelfristige Veränderungen durch Arbeitsmarkt, Transfers.Langfristige Akkumulation, oft durch Erbschaften und geringen Konsum beeinflusst.

Während das Einkommen den Fluss des Geldes darstellt, der einer Person oder einem Haushalt in einem bestimmten Zeitraum zufließt, bezieht sich das Vermögen auf den gesamten Wert der Besitztümer, die eine Person oder ein Haushalt zu einem bestimmten Zeitpunkt besitzt. Eine Person kann ein relativ geringes Einkommen haben, aber über ein erhebliches Vermögen verfügen (z.B. Rentner mit abbezahltem Eigenheim und Ersparnissen), während eine andere Person ein hohes Einkommen, aber wenig Vermögen (z.B. durch hohe Schulden oder geringe Sparquoten) aufweisen kann. Die Vermögensverteilung ist tendenziell ungleicher als die Einkommensverteilung, da Vermögen oft über Generationen weitergegeben wird und sich durch Kapitalerträge akkumuliert.

FAQs

Was ist der Unterschied zwischen primärer und sekundärer Einkommensverteilung?

Die primäre Einkommensverteilung bezieht sich auf die Verteilung der Markteinkommen, also Einkommen, die direkt aus Erwerbstätigkeit, Geschäftstätigkeit, Vermietung oder Kapital vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben erzielt werden. Die sekundäre Einkommensverteilung hingegen berücksichtigt die Umverteilung durch den Staat, d.h., sie umfasst das verfügbare Einkommen nach direkten Steuern, Sozialabgaben und unter Einbeziehung von öffentlichen (z.B. Sozialhilfe) und privaten Transfers (z.B. Unterhalt).

Welche Rolle spielt das BIP bei der Einkommensverteilung?

Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) ist ein Maß für die gesamte Wirtschaftsleistung eines Landes. Während das BIP das Gesamtvolumen der produzierten Güter und Dienstleistungen angibt, sagt es nichts darüber aus, wie dieses Ergebnis unter der Bevölkerung verteilt ist. Eine hohe BIP-Zahl bedeutet nicht automatisch eine gerechte Einkommensverteilung; es ist möglich, dass ein Großteil des BIP bei einem kleinen Teil der Bevölkerung konzentriert ist.

Kann eine sehr ungleiche Einkommensverteilung das Wirtschaftswachstum behindern?

Ja, eine sehr ungleiche Einkommensverteilung kann das Wirtschaftswachstum behindern. Studien deuten darauf hin, dass hohe Ungleichheit die aggregierte Nachfrage reduzieren, Investitionen hemmen und soziale Unruhen fördern kann, was letztlich zu einem geringeren Wirtschaftswachstum führt. Dies liegt daran, dass ein großer Teil des Einkommens, der sich auf wenige Hände konzentriert, zu geringeren Konsumausgaben und einer geringeren Ges1amtaktivität in der Wirtschaft führen kann.