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Erwartungsnutzen

Der Erwartungsnutzen ist ein zentrales Konzept der Entscheidungstheorie und der Volkswirtschaftslehre, das erklärt, wie rationale Akteure Entscheidungen unter Unsicherheit treffen. Er stellt den gewichteten Durchschnitt aller möglichen Nutzenwerte dar, wobei jeder Nutzenwert mit der Wahrscheinlichkeit seines Eintretens multipliziert wird. Anstatt den erwarteten Geldwert eines Ergebnisses zu betrachten, berücksichtigt der Erwartungsnutzen die subjektive Nutzenfunktion eines Individuums und dessen Risikoneigung. So können Menschen unterschiedliche Entscheidungen treffen, auch wenn die erwarteten finanziellen Ergebnisse identisch sind, da ihr empfundener Nutzen davon abweicht.

History and Origin

Das Konzept des Erwartungsnutzens hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert bei Daniel Bernoulli, der es nutzte, um das St. Petersburger Paradoxon zu erklären. Bernoulli erkannte, dass Menschen nicht den erwarteten Wert (Geld) maximieren, sondern den erwarteten Nutzen, wobei der zusätzliche Nutzen aus jeder zusätzlichen Geldeinheit abnimmt (abnehmender Grenznutzen).

Die 24moderne Erwartungsnutzentheorie wurde jedoch maßgeblich von John von Neumann und Oskar Morgenstern in ihrem 1944 erschienenen Werk "Theory of Games and Economic Behavior" formalisiert. Sie erweiterten Bernoullis Ideen und lieferten eine axiomatische Grundlage für die Entscheidungstheorie unter Unsicherheit. Diese A23rbeit trug dazu bei, die Spieltheorie als interdisziplinäres Forschungsgebiet zu etablieren und legte den Grundstein für das Verständnis strategischer Interaktionen in der Ökonomie [FRBSF_External_1]. Die von Neumann-Morgenstern-Nutzenfunktion beinhaltet auch die Risikobereitschaft von Konsumenten und zeigt, dass die optimale Entscheidung diejenige ist, die den erwarteten Nutzen maximiert.

Key Tak22eaways

  • Der Erwartungsnutzen ist ein Maß für die subjektive Zufriedenheit oder den Nutzen, den ein Individuum von einem unsicheren Ergebnis erwartet.
  • Er berücksichtigt die persönliche Nutzenfunktion und die Wahrscheinlichkeit verschiedener Ergebnisse.
  • Die Theorie des Erwartungsnutzens wird verwendet, um rationale Entscheidungen unter Unsicherheit zu modellieren.
  • Sie erklärt, warum Individuen risikobereit, risikoneutral oder risikoavers sein können, basierend auf der Form ihrer Nutzenfunktion.
  • Obwohl normativ, hat die Theorie auch deskriptive Anwendungen in der Volkswirtschaftslehre und Finanzanalyse.

Formula and Calculation

Der Erwartungsnutzen (EU) eines unsicheren Ereignisses oder einer Lotterie wird berechnet, indem der Nutzen jedes möglichen Ergebnisses mit seiner jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert und die Produkte summiert werden.

Die allgemeine Formel lautet:

EU=i=1npiU(xi)EU = \sum_{i=1}^{n} p_i \cdot U(x_i)

Wobei:

  • (EU) = Erwartungsnutzen
  • (p_i) = Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Ergebnis (i)
  • (U(x_i)) = Nutzen des Ergebnisses (x_i)
  • (n) = Anzahl der möglichen Ergebnisse

Diese Formel unterscheidet sich vom einfachen Erwartungswert, der die Ergebnisse ((x_i)) selbst gewichtet, während der Erwartungsnutzen die Nutzenwerte der Ergebnisse gewichtet. Der Erwartungsnutzen20, 21 geht davon aus, dass die Präferenzen des Entscheidungsträgers eine kardinale Nutzenfunktion widerspiegeln, die Risikopräferenzen abbildet.

Interpreting the Erwartungsnutzen

Die Interpretation des Erwartungsnutzens ist eng mit der Risikobereitschaft eines Individuums verbunden. Eine Person, die risikoneutral ist, hat eine lineare Nutzenfunktion, was bedeutet, dass sie sich zwischen einem sicheren Betrag und einer Lotterie mit demselben Erwartungswert indifferent verhält. Eine risikoaverse Person, deren Nutzenfunktion konkav verläuft, zieht einen sicheren Betrag einer Lotterie mit gleichem Erwartungswert vor, da der zusätzliche Nutzen aus höheren Geldbeträgen abnimmt. Dies ist typisch für die mei19sten Menschen im Finanzkontext. Umgekehrt würde eine risikofreudige Person (konvexe Nutzenfunktion) die Lotterie bevorzugen.

Die Berechnung des Erwartungsnutzens hilft, die optimale Investition oder Handlungsalternative zu identifizieren, indem diejenige Option gewählt wird, die den höchsten Erwartungsnutzen verspricht. Die zugrunde liegende Annahme is17, 18t, dass rationale Akteure stets ihren Gesamtnutzen maximieren möchten.

Hypothetical Example

Angenom16men, Sie stehen vor der Entscheidung, entweder 10.000 € sicher zu erhalten oder an einem Glücksspiel teilzunehmen, das Ihnen mit 50 % Wahrscheinlichkeit 20.000 € einbringt und mit 50 % Wahrscheinlichkeit nichts.

Ihr Erwartungsnutzen hängt von Ihrer persönlichen Nutzenfunktion ab. Nehmen wir an, Ihre Nutzenfunktion ist (U(x) = \sqrt{x}), was typisch für eine risikoaverse Person ist.

  1. Sichere Option:

    • Nutzen aus 10.000 €: (U(10.000) = \sqrt{10.000} = 100)
    • Erwartungsnutzen (sichere Option) = (1 \cdot 100 = 100)
  2. Glücksspiel-Option:

    • Nutzen aus 20.000 €: (U(20.000) = \sqrt{20.000} \approx 141,42)
    • Nutzen aus 0 €: (U(0) = \sqrt{0} = 0)
    • Erwartungsnutzen (Glücksspiel) = ((0,50 \cdot 141,42) + (0,50 \cdot 0) = 70,71 + 0 = 70,71)

In diesem Beispiel, obwohl der erwartete Geldwert des Glücksspiels (0,5 * 20.000 € + 0,5 * 0 € = 10.000 €) dem sicheren Betrag entspricht, ist Ihr Erwartungsnutzen aus der sicheren Option (100) höher als der aus dem Glücksspiel (70,71). Eine Person mit dieser Nutzenfunktion würde daher die sichere Option bevorzugen, da sie ihren Erwartungsnutzen maximiert. Dieser Schritt-für-Schritt-Ansatz hilft bei der Optimierung von Entscheidungen.

Practical Applications

Die Erwartungsnutzentheorie findet breite Anwendung in verschiedenen Bereichen der Finanzwelt und darüber hinaus:

  • Portfoliomanagement: Investoren nutzen die Erwartungsnutzentheorie, um die Zusammensetzung ihrer Portfolios zu optimieren, indem sie die erwarteten Renditen und Risiken verschiedener Anlageoptionen wie Aktien und Anleihen bewerten. Das Ziel ist es, diejenige Mischung zu finden, die den höchsten Erwartungsnutzen für ihre individuelle Risikobereitschaft bietet.
  • Versicherung: Die Entscheidung, eine Versicherung abzus14, 15chließen, kann durch die Erwartungsnutzentheorie erklärt werden. Obwohl der erwartete monetäre Wert eines Versicherungsvertrags oft negativ ist (man zahlt Prämien, die im Durchschnitt höher sind als die erwarteten Auszahlungen), überwiegt der Nutzen, den die Vermeidung eines großen Verlusts bietet, für risikoaverse Individuen [IRMI_External_3].
  • Wirtschaftspolitik: Regierungen und Zentralbanken verwenden erwarteten Nutzen in ihren Modellen zur Bewertung von Politikmaßnahmen, insbesondere wenn die Ergebnisse unsicher sind, wie bei Konjunkturprogrammen oder Regulierungsänderungen in den Finanzmärkten.
  • Spieltheorie: Als integraler Bestandteil der Spieltheorie hilft der Erwartungsnutzen, das Verhalten rationaler Akteure in strategischen Interaktionen zu analysieren und optimale Strategien zu bestimmen.
  • Individuelle Finanzplanung: Bei Entscheidungen wie dem Sparen für den Ruhestand oder der Wahl zwischen verschiedenen Vorsorgeprodukten hilft die Theorie, die Präferenzen von Einzelpersonen bezüglich zukünftiger, unsicherer Einkommensströme zu modellieren. Der Ansatz der Rational Choice Theory bildet hierbei die Grundlage.

Limitations and Criticisms

Trotz ihrer weitreichenden Anwendung ist die Erwartungsnutzentheorie nicht ohne Kritik und weist bestimmte Einschränkungen auf:

  • Deskriptive Mängel: Die Theorie des Erwartungsnutzens wird oft als normatives Modell ("wie Menschen entscheiden sollten") statt als deskriptives Modell ("wie Menschen tatsächlich entscheiden") angesehen. Experimentelle Studien, insbesondere die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Tver12, 13sky, haben gezeigt, dass Menschen systematisch von den Vorhersagen der Erwartungsnutzentheorie abweichen [NobelPrize_External_2, 17].
  • Prospekt-Theorie: Kahneman und Tversky entwickelten die Prospekt-Theorie als eine Alternative, die psychologische Erkenntnisse über menschliches Entscheidungsverhalten integriert. Diese Theorie berücksichtigt unter anderem, dass Menschen Verluste stärker empfinden als gleich hohe Gewinne (Verlustaversion) und dass die Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten nicht linear ist.
  • Framing-Effekte: Die Erwartungsnutzentheorie geht davon aus, dass die Art und Weise, wie eine Entscheidung präsentiert wird (Framing), keinen Einfluss auf die Entscheidung hat. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass die Formulierung einer Wahl die Präferenzen der Menschen beeinflussen kann, selbst wenn die zugrunde liegenden Optionen objektiv identisch sind.
  • Annahmen über Rationalität: Die Theorie basiert auf strengen Axiomen der Rationa11lität, wie Vollständigkeit, Transitivität, Kontinuität und Unabhängigkeit. In der Realität können menschliche Entscheidungen von kognitiven Verzerrungen und emotionalen F10aktoren beeinflusst werden, die diese Annahmen verletzen.

Diese Limitationen haben zur Entwicklung der Verhaltensökonomie geführt, die versucht, realistischere Modelle menschlichen Entscheidungsverhaltens zu entwickeln.

Erwartungsnutzen vs. Grenznutzen

Der Erwartungsnutzen und der Grenznutzen sind eng verwandte, aber unterschiedliche Konzepte in der Wirtschaftstheorie.

MerkmalErwartungsnutzenGrenznutzen
DefinitionDer gewichtete Durchschnitt des Nutzens aller möglichen Ergebnisse einer unsicheren Entscheidung.Der zusätzliche Nutzen oder die zusätzliche Zufriedenheit, die ein Individuum durch den Konsum einer zusätzlichen Einheit eines Gutes oder einer Dienstleistung erhält.
KontextEntscheidungen unter Unsicherheit8 und Risiko.Entscheidungen über den Konsum oder die Produktion einer weiteren Einheit eines Gutes oder einer Dienstleistung.
FokusDie Maximierung des subjektiven Nutzens angesichts unbekannter zukünftiger Ereignisse und ihrer Wahrscheinlichkeit.Die Bewertung der marginalen Änderung des Nutzens bei einer kleinen Änderung der Menge.
Zentrale IdeeMenschen bewerten nicht Geldbeträge, s7ondern den Nutzen, den sie aus diesen Beträgen ziehen, gewichtet nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit.Der Nutzen nimmt mit jeder zusätzlich konsumierten Einheit tendenziell ab (Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen).

Während der Grenznutzen beschreibt, wie die Zufriedenheit aus5, 6 einzelnen Einheiten eines Gutes variiert, nutzt der Erwartungsnutzen dieses Konzept, um die Gesamtpräferenz für unsichere Situationen zu bewerten. Ohne die Idee des Grenznutzens wäre die rationale Erklärung für Risikoaversion im Rahmen des Erwartungsnutzens schwierig. Beide Konzepte sind fundamentale Bausteine der Mikroökonomie und der Entscheidungstheorie. Die Grenzrate der Substitution ist ein weiterer wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang, der die Austauschbarkeit von Gütern misst.

FAQs

Was ist der Unterschied zwischen Erwartungswert und Erwartungsnutzen?

Der Erwartungswert bezieht sich auf den mathematischen Durchschnitt der Ergebnisse (z. B. Geldbeträge) eines unsicheren Ereignisses, gewichtet nach ihren Wahrscheinlichkeiten. Der Erwartungsnutzen hingegen bezieht sich auf den Durchschnitt des Nutzenwerts dieser Ergebnisse für eine Person, ebenfalls gewichtet nach Wahrscheinlichkeiten. Eine risikoaverse Person könnte beispielsweise eine sichere Auszahlung bevorzugen, deren Erwartungswert geringer ist als d4er Erwartungswert einer riskanten Option, da der Nutzen der sicheren Option für sie höher ist.

Wann wird die Erwartungsnutzentheorie angewendet?

Die Erwartungsnutzentheorie wird überall dort angewendet, wo Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen. Dies umfasst Bereiche wie Investitionen am Finanzmarkt, Versicherungsentscheidungen, Glücksspiele, aber auch politische und wirtschaftliche Entscheidungen, bei denen zukünftige Ergebnisse ungewiss sind. Ihr primäres Ziel ist es, rationale Entscheidungen zu modellieren und zu analysieren.

Warum ist die Nutzenfunktion wichtig für den Erwartungsnutzen?

Die Nutzenfunktion ist entscheidend, weil sie die subjektiven Präferenzen eines Individuums widerspiegelt. Sie zeigt, wie viel "Zufriedenheit" oder "Nutzen" eine Person aus verschiedenen Ergebnissen zieht. Die Form der Nutzenfunktion bestimmt, ob eine Person risikoavers, risikoneutral oder risikofreudig ist, und beeinflusst somit direkt die Präferenz für bestimmte unsichere Optionen gegenüber anderen. Ohne eine Nutzenfunktion würde der Erwartungsnutzen zum einfachen Erwartungswert.

##3# Kann der Erwartungsnutzen irrationales Verhalten erklären?

Nein, die klassische Erwartungsnutzentheorie basiert auf der Annahme rationalen Verhaltens und kann daher "irrationales" oder nicht-axiomatisches Verhalten nicht vollständig erklären. Experimentelle Befunde, die von der Erwartungsnutzentheorie abweichen, führten zur Entwicklung alternativer Theorien wie der [Prospekt-Theor2ie](https://diversification.com/term/prospekt-theorie), die psychologische Faktoren berücksichtigen, um beobachtbares Entscheidungsverhalten besser zu beschreiben.

Was ist ein Beispiel für abnehmenden Grenznutzen im Kontext des Erwartungsnutzens?

Ein typisches Beispiel ist der Lotteriegewinn. Während der erste Million Euro einen enormen Nutzen stiftet, würde eine weitere Million Euro zwar immer noch willkommen sein, aber der zusätzliche Nutzen (der Grenznutzen) wäre wahrscheinlich geringer als der Nutzen der ersten Million. Eine Person könnte daher eine sichere Auszahlung von 500.000 € einer Lotterie vorziehen, die mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 Million € und mit 50 % Wahrscheinlichkeit 0 € bietet, obwohl der Erwartungswert des Geldes derselbe ist (500.000 €). Dies ist auf den abnehmenden Grenznutzen zurückzuführen, der in die Erwartungsnutzenberechnung einfließt. Die Diversifikation von Anlagen beruht ebenfalls auf ähnlichen Überlegungen.1

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