Was ist Gewinnvergleichsrechnung?
Die Gewinnvergleichsrechnung ist eine Methode der statischen Investitionsrechnung, die dazu dient, die Vorteilhaftigkeit verschiedener Investitionsalternativen auf Basis ihrer erwarteten Durchschnittsgewinne zu beurteilen. Sie gehört zur Kategorie der Investitionsrechnung und wird insbesondere bei Investitionsentscheidungen eingesetzt, bei denen mehrere Projekte mit ähnlicher Laufzeit und identischem Investitionsziel verglichen werden müssen. Ziel ist es, diejenige Investition zu identifizieren, die über ihre Nutzungsdauer hinweg den höchsten durchschnittlichen Periodengewinn verspricht. Die Gewinnvergleichsrechnung konzentriert sich auf buchhalterische Größen und aggregiert Einnahmen und Kosten über die Nutzungsdauer zu einem durchschnittlichen Gewinn.
Ges7chichte und Ursprung
Die Methoden der statischen Investitionsrechnung, zu denen die Gewinnvergleichsrechnung zählt, entwickelten sich in der Betriebswirtschaftslehre als einfache und praxisnahe Ansätze zur Bewertung von Investitionen. Im Gegensatz zu dynamischen Verfahren, die den Zeitwert des Geldes berücksichtigen, konzentrieren sich statische Methoden auf Durchschnittswerte über die Nutzungsdauer. Dies machte6 sie in der Vergangenheit, insbesondere vor der breiten Verfügbarkeit komplexer Rechenwerkzeuge, zu beliebten Werkzeugen in Unternehmen. Ihre Einfachheit und schnelle Anwendbarkeit führten dazu, dass sie in der Praxis weit verbreitet waren und weiterhin als grundlegende Konzepte in der Ausbildung zum Finanzmanagement gelehrt werden, beispielsweise in Zertifikatslehrgängen der Industrie- und Handelskammern (IHK) zur "Fachkraft Investition und Finanzierung".
Kernpunkte5
- Die Gewinnvergleichsrechnung ist ein statisches Investitionsrechenverfahren, das Investitionen auf Basis des durchschnittlichen Periodengewinns vergleicht.
- Sie ist relativ einfach anzuwenden und erfordert keine komplexen finanzmathematischen Kenntnisse.
- Die Methode berücksichtigt kalkulatorische Kosten wie Abschreibungen und Zinsen.
- Das Hauptziel ist die Auswahl der Investition, die den höchsten erwarteten Gewinn liefert.
- Sie vernachlässigt den Zeitwert des Geldes und die unterschiedliche Verteilung von Ein- und Auszahlungen über die Zeit.
Formel und Berechnung
Die Gewinnvergleichsrechnung ermittelt den durchschnittlichen Jahresgewinn einer Investition. Die Formel für den durchschnittlichen Jahresgewinn ((G)) lautet:
Die durchschnittlichen Jahreskosten ((K)) setzen sich typischerweise zusammen aus:
Dabei sind:
- Durchschnittlicher Jahresertrag: Die Summe aller erwarteten Erträge über die Nutzungsdauer geteilt durch die Nutzungsdauer.
- Betriebskosten: Die über die Nutzungsdauer anfallenden laufenden Kosten, wie Material, Personal, Energie etc.
- Kalkulatorische Abschreibungen: Die Verteilung der Anschaffungskosten einer Investition über ihre Nutzungsdauer. Sie werden oft linear berechnet:
- Kalkulatorische Zinsen: Zinsen auf das durchschnittlich gebundene Kapital. Das durchschnittlich gebundene Kapital wird oft als Mittelwert aus Anschaffungskosten und Restwert angesetzt:
Interpretation der Gewinnvergleichsrechnung
Die Interpretation der Ergebnisse der Gewinnvergleichsrechnung ist relativ direkt: Zwischen mehreren Investitionsalternativen sollte diejenige gewählt werden, die den höchsten durchschnittlichen Jahresgewinn aufweist. Wenn nur eine einzige Investition beurteilt werden soll, ist diese vorteilhaft, wenn ihr durchschnittlicher Jahresgewinn positiv ist.
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass diese Methode auf Durchschnittswerten basiert und daher bestimmte Informationen nicht berücksichtigt. Sie liefert ein einfaches Entscheidungskriterium, das besonders für eine erste Einschätzung geeignet ist. Eine hohe Rentabilität, die durch diese Methode suggeriert wird, sollte stets im Kontext der zugrunde liegenden Annahmen und potenzieller Risiken betrachtet werden.
Hypothetisches Beispiel
Ein Unternehmen, die "Muster GmbH", plant die Anschaffung einer neuen Produktionsmaschine und hat zwei Alternativen, Maschine A und Maschine B, zur Auswahl. Beide Maschinen haben eine Nutzungsdauer von 5 Jahren und einen Kalkulationszinssatz von 8 % p.a.
Maschine A:
- Anschaffungskosten: 100.000 €
- Restwert nach 5 Jahren: 10.000 €
- Durchschnittlicher Jahresertrag: 45.000 €
- Durchschnittliche jährliche Betriebskosten: 20.000 €
Berechnung für Maschine A:
- Kalkulatorische Abschreibungen: (\frac{100.000 € - 10.000 €}{5 \text{ Jahre}} = 18.000 €/\text{Jahr})
- Durchschnittlich gebundenes Kapital: (\frac{100.000 € + 10.000 €}{2} = 55.000 €)
- Kalkulatorische Zinsen: (55.000 € \times 8% = 4.400 €/\text{Jahr})
- Durchschnittliche Jahreskosten: (20.000 € (\text{Betriebskosten}) + 18.000 € (\text{Abschreibungen}) + 4.400 € (\text{Zinsen}) = 42.400 €/\text{Jahr})
- Durchschnittlicher Jahresgewinn (Maschine A): (45.000 € - 42.400 € = 2.600 €)
Maschine B:
- Anschaffungskosten: 120.000 €
- Restwert nach 5 Jahren: 15.000 €
- Durchschnittlicher Jahresertrag: 50.000 €
- Durchschnittliche jährliche Betriebskosten: 24.000 €
Berechnung für Maschine B:
- Kalkulatorische Abschreibungen: (\frac{120.000 € - 15.000 €}{5 \text{ Jahre}} = 21.000 €/\text{Jahr})
- Durchschnittlich gebundenes Kapital: (\frac{120.000 € + 15.000 €}{2} = 67.500 €)
- Kalkulatorische Zinsen: (67.500 € \times 8% = 5.400 €/\text{Jahr})
- Durchschnittliche Jahreskosten: (24.000 € (\text{Betriebskosten}) + 21.000 € (\text{Abschreibungen}) + 5.400 € (\text{Zinsen}) = 50.400 €/\text{Jahr})
- Durchschnittlicher Jahresgewinn (Maschine B): (50.000 € - 50.400 € = -400 €)
Ergebnis:
Basierend auf der Gewinnvergleichsrechnung ist Maschine A mit einem durchschnittlichen Jahresgewinn von 2.600 € vorteilhafter als Maschine B, die einen Verlust von 400 € erzielen würde. Die Muster GmbH würde sich daher für Maschine A entscheiden, um ihren Gewinn zu maximieren.
Praktische Anwendungen
Die Gewinnvergleichsrechnung findet hauptsächlich in kleineren und mittleren Unternehmen Anwendung, oder als erste grobe Einschätzung bei großen Investitionsprojekten, bevor detailliertere Analysen durchgeführt werden. Sie ist besonders nützlich, wenn es darum geht, die Wirtschaftlichkeit von Sachinvestitionen wie Maschinen, Anlagen oder Gebäuden zu bewerten.
Im Rahmen des Finanzmanagements dient die Methode dazu, schnell einen Überblick über die potenziellen Erträge und Kosten 4von Investitionen zu erhalten. Obwohl statische Methoden aufgrund ihrer Vereinfachung in akademischen Diskussionen oft kritisiert werden, sind sie in der Praxis nach wie vor verbreitet, insbesondere in der Kosten- und Leistungsrechnung sowie in der internen Entscheidungsfindung. Die Deutsche Bundesbank beobachtet beispielsweise regelmäßig die Ertragslage und Investitionsbereitschaft deutscher Unternehm3en, wobei Faktoren wie die Finanzierungskosten einen erheblichen Einfluss auf deren Investitionsentscheidungen haben.
Grenzen und Kritikpunkte
Trotz ihrer Einfachheit und intuitiven Verständlichkeit weist die Gewinnvergleichsrechnung signif2ikante Limitationen auf:
- Vernachlässigung des Zeitwerts des Geldes: Dies ist der gravierendste Kritikpunkt. Die Methode behandelt Gewinne und Kosten über die gesamte Nutzungsdauer gleich, ohne zu berücksichtigen, dass Geld, das heute zur Verfügung steht, aufgrund von Zinsen und Inflation mehr wert ist als Geld in der Zukunft. Dies kann zu suboptimalen Investitionsentscheidungen führen, insbesondere bei Projekten mit langen Laufzeiten oder ungleichmäßigen Cashflows.
- Basis auf buchhalterischen Größen: Die Gewinnvergleichsrechnung basiert auf kalkulatorischen Größen wie Abschreibungen und Zinsen, die nicht immer mit dem tatsächlichen Cashflow eines Projekts übereinstimmen. Dies kann zu einem verzerrten Bild der tatsächlichen Liquiditätswirkung einer Investition führen.
- Fokus auf Durchschnittswerte: Durch1 die Verwendung von Durchschnittswerten werden Schwankungen oder die genaue zeitliche Verteilung von Erträgen und Kosten innerhalb der Nutzungsdauer ignoriert. Eine Investition mit hohen Gewinnen am Anfang und niedrigen am Ende kann genauso bewertet werden wie eine mit umgekehrter Verteilung, obwohl der frühere Gewinn aus Liquiditätssicht vorteilhafter wäre.
- Ignorieren qualitativer Faktoren: Die Methode konzentriert sich ausschließlich auf quantitative, finanzielle Aspekte und vernachlässigt wichtige qualitative Faktoren wie Umwelteinflüsse, strategische Bedeutung, Marktentwicklungen oder die Risikostruktur des Projekts.
- Subjektivität bei Annahmen: Die Berechnung hängt stark von den Annahmen über zukünftige Erträge, Kosten und insbesondere den kalkulatorischen Zinssatz und Restwert ab, die subjektiven Schätzungen unterliegen können.
Aufgrund dieser Limitationen wird die Gewinnvergleichsrechnung in der Investitionsrechnung oft als eine erste, vereinfachte Methode angesehen und für komplexere oder größere Investitionen durch dynamische Verfahren wie die Kapitalwertmethode oder die Amortisationsrechnung ergänzt oder ersetzt.
Gewinnvergleichsrechnung vs. Deckungsbeitragsrechnung
Obwohl sowohl die Gewinnvergleichsrechnung als auch die Deckungsbeitragsrechnung wichtige Instrumente in der Kosten- und Leistungsrechnung sind, dienen sie unterschiedlichen Zwecken und betrachten unterschiedliche Aspekte der Profitabilität.
Die Gewinnvergleichsrechnung ist eine Methode der Investitionsrechnung. Ihr primäres Ziel ist die Bewertung langfristiger Investitionen, indem sie den erwarteten durchschnittlichen Gewinn über die gesamte Nutzungsdauer einer Investition ermittelt. Sie hilft bei der Entscheidung, welche von mehreren Investitionsalternativen den größten buchhalterischen Gewinn verspricht, und berücksichtigt dabei sowohl fixe als auch variable Kosten sowie kalkulatorische Größen.
Die Deckungsbeitragsrechnung hingegen ist ein Instrument der kurzfristigen Erfolgsrechnung und Kostenanalyse. Ihr Hauptzweck ist die Ermittlung des Beitrags eines Produkts oder einer Dienstleistung zur Deckung der Fixkosten eines Unternehmens. Sie unterscheidet streng zwischen variablen Kosten (die mit der Produktionsmenge variieren) und fixen Kosten (die unabhängig von der Menge anfallen). Der Deckungsbeitrag (Umsatz minus variable Kosten) gibt an, wie viel Erlös nach Abzug der variablen Kosten zur Verfügung steht, um die Fixkosten zu decken und einen Gewinn zu erzielen. Sie ist entscheidend für Preisentscheidungen, Produktionsprogrammentscheidungen und die Analyse der Gewinnschwelle, hat aber keinen direkten Bezug zur langfristigen Investitionsbeurteilung.
Die Verwechslung entsteht manchmal, weil beide Begriffe mit "Gewinn" oder "Beitrag" zur Profitabilität zu tun haben, aber die Gewinnvergleichsrechnung bewertet die Investition selbst, während die Deckungsbeitragsrechnung die Profitabilität von Produkten oder Aufträgen analysiert.
FAQs
1. Wofür wird die Gewinnvergleichsrechnung hauptsächlich verwendet?
Die Gewinnvergleichsrechnung wird hauptsächlich verwendet, um die finanzielle Vorteilhaftigkeit verschiedener Investitionsalternativen zu vergleichen, indem deren erwartete durchschnittliche Jahresgewinne gegenübergestellt werden. Sie hilft Unternehmen, die Investition auszuwählen, die den höchsten Gewinn verspricht.
2. Warum wird die Gewinnvergleichsrechnung als "statisch" bezeichnet?
Sie wird als "statisch" bezeichnet, weil sie den Zeitwert des Geldes nicht berücksichtigt. Das bedeutet, dass sie Erträge und Kosten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, gleich behandelt und nicht auf einen gemeinsamen Zeitpunkt (z.B. den heutigen Wert) abzinst. Sie verwendet Durchschnittswerte über die gesamte Nutzungsdauer.
3. Welche Nachteile hat die Gewinnvergleichsrechnung?
Die Hauptnachteile sind die Vernachlässigung des Zeitwerts des Geldes, die ausschließliche Verwendung von buchhalterischen Gewinngrößen (die nicht immer den tatsächlichen Cashflow widerspiegeln), und das Ignorieren der genauen zeitlichen Verteilung der Zahlungsströme. Zudem werden qualitative Faktoren nicht berücksichtigt.
4. Wann ist die Anwendung der Gewinnvergleichsrechnung sinnvoll?
Die Anwendung ist sinnvoll, wenn Investitionsalternativen eine ähnliche Nutzungsdauer und eine vergleichbare Struktur der Zahlungsströme aufweisen. Sie eignet sich auch für eine schnelle und einfache erste Einschätzung von Projekten oder in Situationen, in denen der Datenerhebungsaufwand gering gehalten werden soll.
5. Welche anderen Investitionsrechnungsverfahren gibt es neben der Gewinnvergleichsrechnung?
Neben der Gewinnvergleichsrechnung gibt es weitere statische Verfahren wie die Kostenvergleichsrechnung, die Rentabilitätsvergleichsrechnung und die Amortisationsrechnung. Wichtige dynamische Verfahren, die den Zeitwert des Geldes berücksichtigen, sind die Kapitalwertmethode und die Interne Zinsfußmethode.