Was sind Herstellungskosten?
Herstellungskosten sind alle Aufwendungen, die direkt oder indirekt mit der Produktion eines Gutes oder der Erbringung einer Dienstleistung verbunden sind. Sie gehören zum Kernbereich der Kostenrechnung und sind ein entscheidender Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre, da sie die Basis für die Bewertung von Inventar und Fertigerzeugnissen in der Bilanz bilden. Die Ermittlung der Herstellungskosten ist von zentraler Bedeutung für die Preisgestaltung, die Rentabilitätsanalyse und die interne Steuerung von Unternehmen.
Geschichte und Ursprung
Die Notwendigkeit, Herstellungskosten genau zu erfassen, entstand maßgeblich mit der Industrialisierung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Als Unternehmen von der handwerklichen Kleinproduktion zu großen Fabriken mit komplexen Produktionsprozessen übergingen, wurde es zunehmend schwieriger, die tatsächlichen Kosten pro Einheit zu ermitteln. Frühe Methoden der Kostenrechnung konzentrierten sich primär auf direkte Kosten wie Material und Löhne. Im Laufe de8s 19. und 20. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen der Massenproduktion, entwickelten sich immer ausgefeiltere Techniken zur Erfassung und Zurechnung von Herstellungskosten, um Managern bessere Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Internation7ale Rechnungslegungsstandards, wie der von der International Accounting Standards Board (IASB) herausgegebene IAS 2 "Inventories" (Vorräte), regeln heute detailliert die Bestandteile und die Bilanzierung von Herstellungskosten. IAS 2 wurde 5, 6im April 2001 vom IASB verabschiedet und ersetzte eine frühere Version aus dem Jahr 1975.
Kernpunkt4e
- Herstellungskosten umfassen alle Aufwendungen, die direkt mit der Produktion zusammenhängen, sowie einen Anteil an den Gemeinkosten.
- Sie sind entscheidend für die Bewertung des Umlaufvermögens (Vorräte) in der Bilanz und für die Ermittlung des Gewinns in der Gewinn- und Verlustrechnung.
- Die korrekte Zuordnung von Kosten zu den Herstellungskosten ist grundlegend für fundierte Entscheidungen bei Preisgestaltung, Budgetierung und Kostenkontrolle.
- Internationale Rechnungslegungsstandards wie IAS 2 definieren detailliert, welche Kosten in die Herstellungskosten einbezogen werden dürfen.
Formel und Berechnung
Die Herstellungskosten setzen sich typischerweise aus drei Hauptkomponenten zusammen:
- Materialeinzelkosten: Die Kosten für Rohstoffe und Hilfsstoffe, die direkt in das Endprodukt eingehen und diesem eindeutig zugeordnet werden können. Beispiele sind Holz für Möbel oder Stahl für Autos.
- Fertigungseinzelkosten: Die direkten Arbeitskosten, die unmittelbar der Produktion eines Erzeugnisses zugeordnet werden können. Dies sind beispielsweise die Löhne der Arbeiter an einer Montagelinie.
- Fertigungsgemeinkosten: Alle indirekten Kosten, die im Zusammenhang mit der Produktion anfallen, aber nicht direkt einem einzelnen Produkt zugeordnet werden können. Dazu gehören Fabrikmiete, Abschreibungen auf Maschinen, Stromkosten für die Fertigung, Gehälter der Produktionsleitung oder Fertigungsleergut. Diese Kosten werden über die Kostenstellenrechnung auf die Produkte verteilt.
Die Grundformel für die Berechnung der Herstellungskosten für eine Abrechnungsperiode lautet:
Um die Herstellungskosten der verkauften Produkte zu ermitteln, muss die Veränderung der Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen berücksichtigt werden. Dies erfolgt oft über Bestandskonten:
Der Anfangsbestand und Endbestand unfertiger Erzeugnisse und fertiger Waren sind hierbei von zentraler Bedeutung.
Interpretation der Herstellungskosten
Die Höhe der Herstellungskosten ist ein wichtiger Indikator für die Effizienz eines Unternehmens. Niedrige Herstellungskosten im Verhältnis zum Verkaufspreis deuten auf eine gute Gewinnmarge hin. Eine detaillierte Analyse der einzelnen Komponenten der Herstellungskosten ermöglicht es Unternehmen, Bereiche für Kostensenkungen zu identifizieren. Steigende Materialeinzelkosten könnten beispielsweise auf höhere Einkaufspreise oder ineffiziente Materialnutzung hinweisen, während steigende Fertigungsgemeinkosten auf ineffizienzen in der Produktion hindeuten können.
Die korrekte Ermittlung der Herstellungskosten ist auch für die Bewertung des Vorratsvermögens in der Bilanz unerlässlich. Nach internationalen Standards wie IAS 2 müssen Vorräte zum niedrigeren Wert aus Herstellungskosten und Nettoveräußerungswert angesetzt werden. Dies stellt sicher, dass Vermögenswerte nicht überbewertet we3rden.
Hypothetisches Beispiel
Ein Unternehmen, das Tische herstellt, möchte seine Herstellungskosten für den Monat Mai berechnen.
Im Mai fallen folgende Kosten an:
- Fertigungsmaterial: 10.000 € (Holz, Schrauben, Lack)
- Fertigungslöhne: 5.000 € (Löhne der Schreiner und Monteure)
- Fertigungsgemeinkosten: 3.000 € (Miete der Werkstatt, Strom, Abschreibung der Maschinen, Gehälter der Werksleitung)
Die direkten Kosten (Einzelkosten) sind die Fertigungsmaterialien und Fertigungslöhne, da sie direkt den produzierten Tischen zugeordnet werden können. Die Gemeinkosten werden den Tischen anteilig zugerechnet.
Die Herstellungskosten für den Monat Mai betragen:
Wenn der Anfangsbestand an unfertigen Tischen im Mai 2.000 € betrug und der Endbestand an unfertigen Tischen 1.000 €, dann wären die Kosten der in diesem Monat fertiggestellten Tische:
Diese 19.000 € sind die Herstellungskosten der im Mai fertiggestellten Produkte, die in das Lager übergehen.
Praktische Anwendungen
Herstellungskosten sind ein grundlegendes Konzept im Finanzwesen und finden in verschiedenen Bereichen Anwendung:
- Interne Entscheidungsfindung: Managementteams nutzen Herstellungskosten, um fundierte Entscheidungen über die Produktpreisgestaltung, Produktionsplanung und Investitionen in neue Fertigungstechnologien zu treffen. Durch die Analyse der Herstellungskosten können Engpässe identifiziert und Prozesse optimiert werden.
*2 Finanzberichterstattung: Gemäß internationalen Rechnungslegungsstandards wie IFRS und US-GAAP sind Herstellungskosten die Grundlage für die Bewertung von Vorräten in der Bilanz und die Berechnung der Kosten der verkauften Waren (Cost of Goods Sold) in der Gewinn- und Verlustrechnung. Dies beeinflusst direkt den ausgewiesenen Umsatzerlös und den Gewinn eines Unternehmens. - Budgetierung und Kostenkontrolle: Unternehmen setzen Budgets für ihre Herstellungskosten fest und vergleichen diese regelmäßig mit den tatsächlichen Kosten, um Abweichungen zu analysieren und Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Dies ist ein Kernelement des Controllings.
- Besteuerung: Die korrekte Ermittlung der Herstellungskosten ist auch für Steuerzwecke relevant, da sie die Höhe des zu versteuernden Gewinns beeinflusst.
Grenzen und Kritik
Obwohl die Ermittlung der Herstellungskosten unerlässlich ist, gibt es auch Grenzen und Kritikpunkte:
- Zuordnung von Gemeinkosten: Die Zurechnung von Gemeinkosten zu einzelnen Produkten kann komplex und willkürlich sein, insbesondere in Unternehmen mit vielfältiger Produktion. Traditionelle Methoden zur Gemeinkostenverteilung können zu ungenauen Produktkosten führen, wenn die Gemeinkosten nicht proportional zu den direkten Kosten anfallen. Dies hat zur Entwicklung von Methoden wie der Prozesskostenrechnung (Activity-Based Costing, ABC) geführt, die versuchen, indirekte Kosten präziser auf Aktivitäten und dann auf Produkte zu verteilen.
- Fixkosten und variable Kosten: Die Herstellungskosten können sowohl fixe als auch variable Komponenten enthalten. Eine1 Vernachlässigung der Unterscheidung zwischen diesen Kostenarten kann zu falschen Entscheidungen führen, insbesondere bei der Preisgestaltung oder der Beurteilung von Auslastungsänderungen. Die Grenzkostenrechnung bietet hierfür eine alternative Perspektive.
- Historische Kosten: Traditionelle Herstellungskosten basieren auf historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten. In Zeiten hoher Inflation oder bei sich schnell ändernden Rohstoffpreisen können diese Kosten die aktuellen Werte nicht widerspiegeln, was die Entscheidungsfindung erschwert.
- Vernachlässigung nicht-monetärer Faktoren: Die Fokussierung auf die monetären Herstellungskosten kann dazu führen, dass wichtige nicht-monetäre Faktoren wie Qualität, Lieferzeit oder Kundenzufriedenheit, die ebenfalls Kosten verursachen oder beeinflussen, bei der Analyse nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Herstellungskosten vs. Selbstkosten
Obwohl die Begriffe Herstellungskosten und Selbstkosten oft verwechselt werden, bezeichnen sie unterschiedliche Konzepte in der Kostenrechnung.
Merkmal | Herstellungskosten | Selbstkosten |
---|---|---|
Umfang | Alle Kosten, die direkt oder indirekt mit der Produktion eines Gutes verbunden sind. | Alle Kosten, die im gesamten Unternehmen anfallen, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu produzieren und zu vertreiben. |
Bestandteile | Fertigungsmaterial, Fertigungslöhne, Fertigungsgemeinkosten. | Herstellungskosten + Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten. |
Zweck | Bewertung von Vorräten, Produktionskontrolle, Basis für Deckungsbeitragsrechnung. | Kalkulation des Mindestverkaufspreises, Erfolgsrechnung, Preispolitik. |
Die Herstellungskosten sind somit ein Teil der Selbstkosten. Während die Herstellungskosten ausschließlich die Kosten bis zur Fertigstellung eines Produkts umfassen, beinhalten die Selbstkosten zusätzlich jene Kosten, die für die Verwaltung des Unternehmens und den Vertrieb des Produkts anfallen. Das bedeutet, dass die Selbstkosten die gesamten Aufwendungen darstellen, die ein Unternehmen aufwenden muss, um ein Produkt herzustellen und es letztendlich an den Kunden zu verkaufen.
FAQs
1. Warum sind Herstellungskosten wichtig für ein Unternehmen?
Herstellungskosten sind wichtig, weil sie die Grundlage für die Bewertung der Produktionskosten bilden. Sie beeinflussen direkt den Wert der Vorräte in der Bilanz und die Rentabilität eines Unternehmens in der Gewinn- und Verlustrechnung. Zudem helfen sie Managern, Entscheidungen über Preise, Produktionsmengen und Effizienzverbesserungen zu treffen.
2. Was ist der Unterschied zwischen direkten und indirekten Kosten in den Herstellungskosten?
Direkte Kosten, auch Einzelkosten genannt, können einem einzelnen Produkt direkt zugeordnet werden, z.B. das Fertigungsmaterial oder die Fertigungslöhne für ein bestimmtes Produkt. Indirekte Kosten, oder Gemeinkosten, können nicht direkt einem Produkt zugeordnet werden, fallen aber dennoch im Produktionsprozess an (z.B. Fabrikmiete, Strom für die gesamte Fabrik). Sie werden über Verteilungsschlüssel den Produkten zugerechnet.
3. Welche Kosten gehören nicht zu den Herstellungskosten?
Nicht zu den Herstellungskosten gehören Kosten, die nicht direkt mit der Produktion zusammenhängen, wie Vertriebskosten (z.B. Werbung, Verkaufsprovisionen, Versandkosten) und allgemeine Verwaltungskosten (z.B. Gehälter der Geschäftsführung, Büromiete, Buchhaltung). Diese werden als Teil der Verwaltungs- und Vertriebskosten separat erfasst und sind Bestandteil der Selbstkosten, aber nicht der Herstellungskosten selbst.
4. Wie beeinflussen Herstellungskosten die Preisgestaltung?
Die Herstellungskosten bilden eine wichtige Untergrenze für die Preisgestaltung. Um Gewinne zu erzielen, muss der Verkaufspreis die Herstellungskosten decken und zusätzlich die Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie eine gewünschte Gewinnmarge enthalten. Eine genaue Kenntnis der Herstellungskosten ermöglicht es Unternehmen, wettbewerbsfähige und profitable Preise festzulegen.