Was ist KGV?
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine der am häufigsten verwendeten Kennzahlen in der Fundamentalanalyse zur Aktienbewertung. Es setzt den aktuellen Aktienkurs eines Unternehmens ins Verhältnis zu seinem Gewinn pro Aktie. Das KGV gibt Anlegern einen Hinweis darauf, wie viel sie bereit sind, für jeden Euro Gewinn eines Unternehmens zu zahlen. Es hilft dabei, den Unternehmenswert im Verhältnis zu seinen Erträgen zu beurteilen und kann Aufschluss darüber geben, ob eine Aktie potenziell über- oder unterbewertet ist.
Geschichte und Ursprung
Die grundlegende Idee, den Preis einer Aktie ins Verhältnis zu den Unternehmenseinnahmen zu setzen, ist so alt wie der Aktienmarkt selbst. Obwohl das Kurs-Gewinn-Verhältnis in seiner modernen Form wahrscheinlich keine einzelne "Erfindung" hat, entwickelte es sich über Jahrzehnte als Standardmetrik in der Finanzwelt. Bereits in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts begannen Analysten und Investoren, solche Verhältnisse zu nutzen, um die relative Attraktivität von Aktien zu beurteilen.
Historisch betrachtet, hat das KGV des S&P 500 Index, ein weit beachteter Marktindikator, seit 1927 Schwankungen unterlegen, mit Tiefstständen um 6 im Jahr 1949 und Höchstständen von bis zu 122 im Jahr 2009, nach der globalen Finanzkrise. Solche historischen Daten des KGV können als Orientierung dienen, um die aktuelle Marktbewertung im Kontext vergangener Perioden zu verstehen.
Wichtige Erke9nntnisse
- Das KGV vergleicht den aktuellen Aktienkurs mit dem Gewinn pro Aktie eines Unternehmens.
- Es ist ein zentrales Instrument der Aktienbewertung in der Fundamentalanalyse.
- Ein hohes KGV kann auf hohe Wachstumserwartungen hindeuten oder darauf, dass eine Aktie überbewertet sein könnte.
- Ein niedriges KGV könnte auf eine unterbewertete Aktie oder geringere Wachstumserwartungen hindeuten.
- Das KGV sollte immer im Kontext der Branche, des Wettbewerbs und der allgemeinen Marktbedingungen interpretiert werden.
Formel und Berechnung
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis wird berechnet, indem der aktuelle Aktienkurs einer Aktie durch den Gewinn pro Aktie (EPS) des Unternehmens geteilt wird.
Die Formel lautet:
Der Gewinn pro Aktie (EPS) wird normalerweise auf Basis der Gewinne der letzten zwölf Monate (Trailing EPS) oder der erwarteten Gewinne für die nächsten zwölf Monate (Forward EPS) berechnet. Der Ertrag der letzten zwölf Monate ist eine bereits feststehende Größe, während der erwartete Ertrag auf Prognosen basiert.
Interpretation des KGV
Die Interpretation des KGV ist kontextabhängig. Ein hohes KGV deutet darauf hin, dass Anleger bereit sind, einen höheren Preis für jeden Euro Gewinn pro Aktie zu zahlen. Dies kann bedeuten, dass das Unternehmen hohe zukünftige Ertragserwartungen hat, wie es oft bei Wachstumsaktien der Fall ist. Umgekehrt kann ein niedriges KGV darauf hindeuten, dass der Markt geringere Wachstumserwartungen hat oder dass die Aktie möglicherweise unterbewertet ist, was typisch für Substanzwerte sein kann.
Es ist entscheidend, das KGV eines Unternehmens mit dem KGV von Wettbewerbern in derselben Branche zu vergleichen, da unterschiedliche Branchen typischerweise unterschiedliche durchschnittliche KGVs aufweisen. Auch der Vergleich mit dem historischen KGV des Unternehmens selbst oder dem Durchschnitt der gesamten Marktkapitalisierung kann wertvolle Einblicke liefern. Anlegerstimmung und die Bereitschaft, mehr für einen Euro Gewinn zu zahlen, können zu einer sogenannten KGV-Expansion führen.
Hypothetisches Beispiel
Angenomme8n, Sie analysieren zwei Unternehmen in derselben Branche: "Unternehmen A" und "Unternehmen B".
-
Unternehmen A:
- Aktienkurs: 50 €
- Gewinn pro Aktie (EPS): 2 €
- KGV = 50 € / 2 € = 25
-
Unternehmen B:
- Aktienkurs: 30 €
- Gewinn pro Aktie (EPS): 2 €
- KGV = 30 € / 2 € = 15
In diesem Fall hat Unternehmen A ein KGV von 25, während Unternehmen B ein KGV von 15 hat. Dies könnte bedeuten, dass der Markt bei Unternehmen A höhere zukünftige Gewinne erwartet oder dass es als stabiler oder wachstumsstärker wahrgenommen wird. Für einen Anleger könnte Unternehmen B, basierend allein auf dem KGV, als potenziell unterbewertet oder weniger wachstumsstark erscheinen, wenn alle anderen Faktoren gleich sind. Die Bilanzanalyse beider Unternehmen würde weitere Details liefern.
Praktische Anwendungen
Das KGV findet breite Anwendung in verschiedenen Bereichen der Finanzwelt:
- Fundamentale Analyse: Es ist ein Eckpfeiler der Fundamentalanalyse, um die relative Bewertung von Aktien zu bestimmen. Analysten nutzen es oft in Verbindung mit anderen Kennzahlen, um ein umfassendes Bild der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens zu erhalten.
- Vergleichsanalyse: Investoren nutzen das KGV, um Unternehmen innerhalb derselben Branche oder Subbranche zu vergleichen und so potenzielle Investitionsmöglichkeiten zu identifizieren. Eine Sektoranalyse ist hier unerlässlich, da typische KGVs je nach Industrie stark variieren können.
- Investitionsentscheidungen: Es hilft bei der Entscheidung, ob eine Aktie im Verhältnis zu ihren Erträgen teuer oder günstig ist. Ein niedrigeres KGV im Vergleich zum Branchendurchschnitt oder zur historischen Spanne könnte eine Kaufgelegenheit signalisieren, während ein hohes KGV auf eine Notwendigkeit zur Risikobewertung hindeutet.
- Portfolio-Management: Portfolio-Manager nutzen KGVs, um die Gesamtbewertung ihrer Portfolios zu steuern und möglicherweise Über- oder Untergewichte in bestimmten Sektoren anzupassen, basierend auf der Bewertungsattraktivität.
Einschränkungen und Kritikpunkte
Obwohl das KGV eine weit verbreitete Kennzahl ist, hat es mehrere Einschränkungen:
- Volatile Gewinne: Die Erträge eines Unternehmens können volatil sein, insbesondere in schnelllebigen Branchen oder bei Unternehmen in frühen Wachstumsphasen. Dies kann das KGV unbeständig machen und zu irreführenden Bewertungen führen. Unternehmen, die stark in ihr Wachstum reinvestieren, können niedrige oder sogar 7negative Gewinne aufweisen, was das KGV unberechenbar macht oder es unmöglich macht, es zu berechnen.
- Negative oder keine Gewinne: Für Unternehmen, die Verluste machen oder noch6 keine Gewinne erzielen (z.B. viele Start-ups oder Wachstumsaktien), kann das KGV nicht berechnet werden oder ist negativ, was eine Bewertung anhand dieser Kennzahl unmöglich macht.
- Buchhalterische Praktiken: Unternehmen können unterschiedliche Rechnungslegun5gspraktiken oder Nicht-GAAP-Kennzahlen verwenden, die das ausgewiesene Gewinn pro Aktie beeinflussen und somit die Vergleichbarkeit des KGV erschweren.
- Schuldeneinbeziehung: Das KGV berücksichtigt nicht die Verschuldung eines Unternehmens. Ein Unternehmen mit einem niedrigen KGV könnte hohe Schulden haben, was ein Risiko darstellt, das das KGV allein nicht widerspiegelt. Die Verwendung des KGV ohne Berücksichtigung der Marktkapitalisierung oder des gesamten Unternehmenswert kann unzureichend sein.
- Fehlende Zukunftsperspektive: Das KGV basiert auf vergangenen oder kurzfristig erwarteten Gewinnen und berücksichtigt nicht die langfristige Anlagehorizont und das Potenzial für zukünftiges Wachstum oder disruptive Innovationen, insbesondere bei Unternehmen mit bedeutenden immateriellen Vermögenswerten. Alternative Bewertungskennzahlen wie das Price-to-Sales (P/S) Ratio können in solchen Fällen 2aussagekräftiger sein.
KGV vs. Kurs-Buchwert-Verhältnis
Das KGV und das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) sind beides beliebte Bewertungskennzahlen, die jedoch unterschiedliche Aspekte eines Unternehmens beleuchten.
Merkmal | KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) | KBV (Kurs-Buchwert-Verhältnis) |
---|---|---|
Fokus | Bewertung des Aktienkurses im Verhältnis zu den Gewinnen des Unternehmens. | Bewertung des Aktienkurses im Verhältnis zum Buchwert (Eigenkapital) des Unternehmens. |
Berechnung | Aktienkurs / Gewinn pro Aktie | Aktienkurs / Buchwert pro Aktie |
Indikation | Gibt an, wie viel Anleger für jeden Euro Gewinn zu zahlen bereit sind. | Zeigt an, wie der Markt das Eigenkapital des Unternehmens bewertet. |
Anwendung | Ideal für Unternehmen mit stabilen und positiven Gewinnen. Weniger geeignet für wachstumsstarke oder verlustbringende Unternehmen. | Nützlich für Unternehmen mit hohen Sachwerten (z.B. Banken, Immobilien), aber weniger relevant für Dienstleistungs- oder Technologieunternehmen mit immateriellen Werten. |
Begrenzung | Anfällig für Volatilität der Gewinne und kann bei negativen Gewinnen nicht angewendet werden. | Ignoriert Rentabilität und kann bei Unternehmen mit hohen immateriellen Werten irreführend sein. |
Während das KGV die Profitabilität und die Ertragskraft eines Unternehmens in den Vordergrund stellt, bewertet das KBV die Vermögenswerte des Unternehmens. Beide Kennzahlen bieten wertvolle Einblicke, sollten aber je nach Branche und Geschäftsmodell in Kombination oder als Teil einer umfassenderen Analyse, die auch Methoden wie Discounted Cash Flow berücksichtigen, verwendet werden.
FAQs
1. Was ist ein "gutes" KGV?
Es gibt kein universell "gutes" KGV, da der Wert stark von der Branche, dem Wachstumspotenzial, der Volatilität und den allgemeinen Marktbedingungen abhängt. Ein KGV, das für ein Technologieunternehmen als moderat gilt, könnte für ein Versorgungsunternehmen als hoch angesehen werden. Es ist entscheidend, das KGV eines Unternehmens mit seinen Branchenkollegen und seinem eigenen historischen Durchschnitt zu vergleichen.
2. Kann ein KGV negativ sein?
Ja, ein KGV kann negativ sein, wenn ein Unternehmen Verluste schreibt, also einen negativen Gewinn pro Aktie aufweist. In solchen Fällen ist das KGV meist nicht aussagekräftig und wird oft als "N/A" (nicht zutreffend) ausgewiesen. Anleger müssen dann andere Kennzahlen oder Analysemethoden zur Aktienbewertung heranziehen.
3. Was ist der Unterschied zwischen Trailing KGV und Forward KGV?
Das Trailing KGV verwendet die Gewinne der letzten zwölf Monate zur Berechnung, während das Forward KGV die erwarteten Gewinne für die nächsten zwölf Monate nutzt. Das Trailing KGV ist eine objektive, retrospektive Kennzahl, während das Forward KGV eine zukunftsgerichtete Einschätzung ist, die auf Analystenprognosen basiert und somit subjektiver sein kann.
4. Warum ist das KGV bei manchen Unternehmen so hoch?
Ein hohes KGV signalisiert oft, dass Anleger von einem starken zukünftigen Ertragswachstum des Unternehmens ausgehen. Dies ist typisch für Wachstumsaktien, die in Forschung und Entwicklung investieren und deren Gewinne in der Vergangenheit niedrig waren, aber ein hohes Potenzial für die Zukunft versprechen. Es kann aber auch ein Zeichen für eine Überbewertung sein.
5. Sollte man sich nur auf das KGV verlassen?
Nein, das KGV sollte niemals isoliert betrachtet werden. Es ist eine von vielen wichtigen Kennzahlen in der Fundamentalanalyse. Ein umfassendes Verständnis der finanziellen Gesundheit und des Bewertungsniveaus eines Unternehmens erfordert die Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Verschuldung, Cashflow, Dividenden, Managementqualität und das allgemeine makroökonomische Umfeld.