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Marktkennzahlen

Was sind Marktkennzahlen?

Marktkennzahlen sind numerische Messgrößen, die Einblicke in die Leistung, Bewertung und Attraktivität eines Wertpapiers oder des Gesamtmarktes geben. Sie gehören zum Bereich der Portfoliotheorie, da sie wesentlich für die Entscheidungsfindung bei der Zusammenstellung und Analyse von Anlageportfolios sind. Anleger nutzen Marktkennzahlen, um Anlageinstrumente zu bewerten, Markttrends zu identifizieren und das Risiko-Rendite-Profil von Investitionen zu beurteilen. Im Gegensatz zu internen Kennzahlen, die aus Unternehmensdaten stammen, spiegeln Marktkennzahlen die Wahrnehmung des Marktes wider und basieren oft auf dem aktuellen Börsenkurs eines Unternehmens. Die regelmäßige Analyse von Marktkennzahlen ist ein Eckpfeiler des effektiven Portfoliomanagements.

Geschichte und Ursprung

Die Notwendigkeit von Marktkennzahlen entstand mit der Entwicklung organisierter Wertpapiermärkte und dem wachsenden Bedarf an standardisierten Informationen für Anleger. Während grundlegende Bewertungskonzepte wie der Ertrag bereits in den frühen Stadien des Handels existierten, wurden viele der heute gebräuchlichen Marktkennzahlen im 20. Jahrhundert formalisiert und verbreitet. Insbesondere nach Marktcrashs, wie dem von 1929, wurde die Forderung nach mehr Transparenz und besseren Bewertungsinstrumenten lauter. Dies führte in den Vereinigten Staaten zur Verabschiedung von Gesetzen wie dem Securities Act of 1933, der Unternehmen zur Offenlegung wichtiger Finanzinformationen verpflichtete. Diese neuen Offenlegungspflichten legten den Grundstein für die systematische Berechnung und Nutzung von Marktkennzahlen durch die breite Anlegerschaft. Mit der Zeit entwickelten sich Analysten und Investoren immer ausgefeiltere Methoden zur Interpretation dieser Daten, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen.

Wichtige Erkenntnisse

  • Marktkennzahlen sind Werkzeuge zur Bewertung von Wertpapieren und Märkten basierend auf dem aktuellen Börsenkurs.
  • Sie liefern Einblicke in die Marktstimmung, Wachstumserwartungen und die Bewertung eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Fundamentaldaten.
  • Häufig verwendete Marktkennzahlen umfassen das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das Kurs-Buchwert-Verhältnis und die Dividendenrendite.
  • Die Interpretation von Marktkennzahlen erfordert einen Vergleich mit historischen Werten, Branchen-Benchmarks oder Wettbewerbern.
  • Trotz ihrer Nützlichkeit sollten Marktkennzahlen immer im Kontext weiterer Finanzanalysen und qualitativer Faktoren betrachtet werden.

Formel und Berechnung

Marktkennzahlen werden typischerweise berechnet, indem der Börsenkurs eines Wertpapiers mit einer relevanten Finanzgröße des Unternehmens in Beziehung gesetzt wird. Eine der am häufigsten verwendeten Marktkennzahlen ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das wie folgt berechnet wird:

KGV=Aktueller Bo¨rsenkursGewinn pro Aktie\text{KGV} = \frac{\text{Aktueller Börsenkurs}}{\text{Gewinn pro Aktie}}

Dabei ist:

  • Aktueller Börsenkurs: Der aktuelle Marktpreis einer Aktie.
  • Gewinn pro Aktie: Der Teil des Gewinns eines Unternehmens, der auf jede ausstehende Stammaktie entfällt, berechnet als Gesamtertrag abzüglich Dividenden für Vorzugsaktien, geteilt durch die Anzahl der ausstehenden Stammaktien.

Eine weitere wichtige Kennzahl ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV):

KBV=Aktueller Bo¨rsenkursBuchwert pro Aktie\text{KBV} = \frac{\text{Aktueller Börsenkurs}}{\text{Buchwert pro Aktie}}

Hierbei ist:

  • Buchwert pro Aktie: Der Wert der Vermögenswerte eines Unternehmens abzüglich der Verbindlichkeiten, geteilt durch die Anzahl der ausstehenden Aktien. Dies gibt einen Hinweis auf den Wert des Eigenkapitals aus Sicht der Bilanz.

Interpretation der Marktkennzahlen

Die Interpretation von Marktkennzahlen ist entscheidend, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. Eine einzelne Marktkennzahl allein ist selten aussagekräftig; sie muss stets im Kontext betrachtet werden. Beispielsweise kann ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf überhöhte Erwartungen oder eine Überbewertung hindeuten, aber auch auf starkes erwartetes Wachstum. Umgekehrt könnte ein niedriges KGV eine Unterbewertung signalisieren oder auf zugrunde liegende Probleme im Unternehmen hinweisen.

Anleger vergleichen Marktkennzahlen oft:

  • Historisch: Wie war die Kennzahl des Unternehmens in der Vergangenheit? Hat sie sich über die Zeit verändert?
  • Branchenvergleich: Wie schneidet die Kennzahl im Vergleich zu Wettbewerbern oder dem Branchendurchschnitt ab?
  • Gesamtmarkt: Wie ist die Kennzahl im Verhältnis zum gesamten Aktienmarkt oder relevanten Indizes?

Ein weiteres Beispiel ist die Dividendenrendite, die das Verhältnis der jährlichen Dividende zum aktuellen Aktienkurs angibt. Eine hohe Dividendenrendite kann für Einkommensinvestoren attraktiv sein, könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass der Aktienkurs gefallen ist, weil der Markt Probleme erwartet. Daher ist die ganzheitliche Betrachtung und das Risikomanagement bei der Anwendung von Marktkennzahlen unerlässlich.

Hypothetisches Beispiel

Angenommen, Sie analysieren zwei fiktive Technologieunternehmen, TechCo A und InnovateCorp, um deren Bewertung mithilfe von Marktkennzahlen zu verstehen.

TechCo A:

  • Aktueller Börsenkurs: 100 EUR
  • Gewinn pro Aktie (EPS): 5 EUR
  • Buchwert pro Aktie: 40 EUR

InnovateCorp:

  • Aktueller Börsenkurs: 150 EUR
  • Gewinn pro Aktie (EPS): 3 EUR
  • Buchwert pro Aktie: 25 EUR

Berechnung der Marktkennzahlen:

TechCo A:

  • KGV = 100 EUR / 5 EUR = 20
  • KBV = 100 EUR / 40 EUR = 2,5

InnovateCorp:

  • KGV = 150 EUR / 3 EUR = 50
  • KBV = 150 EUR / 25 EUR = 6

Interpretation:
TechCo A hat ein KGV von 20 und ein KBV von 2,5. Dies deutet darauf hin, dass TechCo A pro Euro Gewinn oder Buchwert 20 bzw. 2,5 Mal bewertet wird.
InnovateCorp hingegen hat ein deutlich höheres KGV von 50 und ein KBV von 6. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Markt von InnovateCorp ein viel stärkeres zukünftiges Wachstum erwartet, da Anleger bereit sind, einen höheren Preis für jeden Euro des aktuellen Gewinns oder Buchwerts zu zahlen. Alternativ könnte InnovateCorp im Vergleich zu TechCo A überbewertet sein. Um dies genau zu beurteilen, müsste man die Wachstumsraten, die Rendite und die Branchentrends beider Unternehmen genauer analysieren.

Praktische Anwendungen

Marktkennzahlen finden breite Anwendung in verschiedenen Bereichen der Finanzwelt:

  • Fundamentalanalyse: Analysten nutzen Marktkennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), um die Bewertung eines Unternehmens zu beurteilen und festzustellen, ob eine Aktie über- oder unterbewertet ist.
  • Portfolio-Konstruktion: Investmentmanager verwenden Kennzahlen zur Auswahl von Aktien für ein Portfolio, basierend auf bestimmten Investmentstrategien (z.B. Value-Investing, Growth-Investing). Die Marktkapitalisierung ist beispielsweise eine entscheidende Kennzahl zur Größenklassifizierung von Unternehmen.
  • Risiko- und Ertragsanalyse: Kennzahlen wie die Volatilität und die Liquidität helfen, das mit einer Investition verbundene Risiko und die potenzielle Ertragsfähigkeit einzuschätzen.
  • Due Diligence: Vor Fusionen und Übernahmen werden Marktkennzahlen verwendet, um Zielunternehmen zu bewerten und die Angemessenheit des Angebotspreises zu überprüfen.
  • Regulierung und Offenlegung: Regulierungsbehörden wie die U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) verlangen von börsennotierten Unternehmen die regelmäßige Offenlegung von Finanzinformationen, die die Grundlage für die Berechnung von Marktkennzahlen bilden. Anleger können diese Informationen über die SEC EDGAR database abrufen und so die Transparenz und Verlässlichkeit der Marktkennzahlen gewährleisten.

Einschränkungen und Kritikpunkte

Obwohl Marktkennzahlen wertvolle Einblicke bieten3, unterliegen sie bestimmten Einschränkungen und sind Gegenstand von Kritik:

  • Vergangenheitsorientierung: Viele Kennzahlen basieren auf historischen Daten, wie dem Gewinn pro Aktie der letzten zwölf Monate. Die zukünftige Leistung eines Unternehmens kann jedoch stark von der Vergangenheit abweichen.
  • Branchenunterschiede: Eine Kennzahl, die in einer Branche als normal gilt, kann in einer anderen Branche als hoch oder niedrig erscheinen. Ein hohes KGV ist beispielsweise bei Technologieunternehmen üblich, während es bei Versorgungsunternehmen als extrem gelten könnte. Vergleiche müssen daher branchenbezogen erfolgen.
  • Buchhalterische Aspekte: Die Berechnung einiger Kennzahlen, wie des Buchwerts, kann durch unterschiedliche Bilanzierungsmethoden beeinflusst werden, was Vergleiche zwischen Unternehmen erschwert. Insbesondere die Behandlung von immateriellen Vermögenswerten kann den Buchwert verzerren.
  • Manipulationspotenzial: Unternehmen könnten versuchen, bestimmte Kennzahlen durch buchhalterische Anpassungen oder ungewöhnliche Posten zu beeinflussen, um ihre Attraktivität zu steigern.
  • Nichtberücksichtigung qualitativer Faktoren: Marktkennzahlen sind rein quantitative Messgrößen und erfassen keine qualitativen Aspekte wie Managementqualität, Wettbewerbsvorteile oder Markenwert, die für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens entscheidend sein können.
  • Marktstimmung: Die Rendite und damit auch die Marktkennzahlen können stark von der allgemeinen Marktstimmung, spekulativen Blasen oder Phasen irrationaler Überschwänglichkeit beeinflusst werden. Studien, wie die des Federal Reserve Bank of San Francisco Economic Letter, diskutieren, inwiefern makroökonomische Faktoren die Bewertung des Aktienmarktes beeinflussen können, was die reine Interpretation von Kennzahlen erschwert. Unternehmen wie Research Affiliates beton2en ebenfalls, wie wichtig es ist, Bewertungen im Kontext historischer Normen und der Erwartungen für zukünftige Erträge zu betrachten.

Marktkennzahlen vs. Finanzkennzahlen

Obwohl die Begriffe "Marktkennzahlen" und "Finanzkennzahlen" oft synonym verwendet werden, gibt es einen feinen, aber wichtigen Unterschied. Finanzkennzahlen sind breiter gefasst und umfassen alle Metriken, die aus den Jahresabschlüssen eines Unternehmens abgeleitet werden, um dessen finanzielle Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Effizienz zu bewerten. Beispiele hierfür sind die Umsatzrendite, die Eigenkapitalrendite oder der Verschuldungsgrad.

Marktkennzahlen hingegen sind eine spezielle Untergruppe der Finanzkennzahlen, die immer den aktuellen Börsenkurs eines Wertpapiers in ihre Berechnung einbeziehen. Sie spiegeln wider, wie der Markt ein Unternehmen basierend auf seinen Fundamentaldaten bewertet. Während Finanzkennzahlen die interne Leistungsfähigkeit eines Unternehmens widerspiegeln, zeigen Marktkennzahlen die externe Wahrnehmung und die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage am Markt. Die Risikoprämie und Kapitalkosten spielen bei der Marktpreisbildung eine Rolle, werden aber nicht direkt in jeder Finanzkennzahl abgebildet, im Gegensatz zu Marktkennzahlen.

FAQs

Was ist der Unterschied zwischen einem hohen und einem niedrigen KGV?

Ein hohes KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) deutet oft darauf hin, dass der Markt von einem Unternehmen in der Zukunft ein starkes Wachstum erwartet und Anleger bereit sind, mehr für den aktuellen Gewinn pro Aktie zu zahlen. Ein niedriges KGV könnte auf eine Unterbewertung oder aber auf schlechte Wachstumsaussichten hindeuten. Der Kontext der Branche und der Historie ist hier entscheidend.

Können Marktkennzahlen zur Vorhersage von Aktienkursen verwendet werden?

Marktkennzahlen sind Werkzeuge zur Bewertung und Analyse, keine exakten Vorhersageinstrumente für zukünftige Aktienkurse. Sie können Tendenzen aufzeigen und bei der Identifizierung von unter- oder überbewerteten Anlageinstrumenten helfen, aber sie garantieren keine zukünftige Rendite.

Welche Marktkennzahlen sind am wichtigsten?

Die Bedeutung hängt vom Anlageziel ab. Für Wachstumsaktien sind KGV und EV/EBITDA wichtig. Für Value-Aktien sind KBV und Dividendenrendite relevant. Die Marktkapitalisierung ist immer eine grundlegende Kennzahl zur Bestimmung der Unternehmensgröße.

Woher bekomme ich die Daten für Marktkennzahlen?

Daten für Marktkennzahlen sind in der Regel öffentlich zugänglich. Sie finden sich in Finanzberichten von Unternehmen, die auf deren Investor-Relations-Websites veröffentlicht werden, oder in Datenbanken von Finanzdienstleistern. Öffentliche Unternehmen in den USA müssen ihre Finanzinformationen bei der SEC einreichen, die über die SEC EDGAR database frei zugänglich sind.

Wie oft ändern sich Marktkennzahlen?

Da Marktkennzahlen auf dem aktuellen Börsenkurs basieren, ändern sie sich kontinuierlich während der Handelszeiten des Marktes. Andere Bestandteile, wie der Gewinn pro Aktie oder der Buchwert, aktualisieren sich in der Regel quartalsweise oder jährlich, wenn Unternehmen ihre Finanzberichte veröffentlichen.