Was ist Moralisches Risiko?
Moralisches Risiko (engl. Moral Hazard) ist ein Konzept der Informationsökonomik und beschreibt ein opportunistisches Verhalten eines Marktteilnehmers oder Vertragspartners, das aufgrund ökonomischer Fehlanreize zustande kommt. E37s gehört zur breiteren Kategorie der Verhaltensökonomie und des Risikomanagements. Dieses Verhalten tritt auf, nachdem ein Vertrag oder eine Vereinbarung getroffen wurde und eine Informationsasymmetrie vorliegt, bei der eine Partei mehr Informationen über ihre Handlungen oder Absichten hat als die andere. Da d36ie Partei, die das Risiko eingeht, die vollen Konsequenzen nicht selbst tragen muss, kann sich ihr Verhalten ändern. Das moralische Risiko führt oft zu Ineffizienzen und potenziellen Problemen in Märkten.
Geschichte und Herkunft
Der Begriff "Moral Hazard" stammt ursprünglich aus der Versicherungswirtschaft und wurde bereits im 17. Jahrhundert verwendet. Anfängli33, 34, 35ch bezog er sich auf das Phänomen, dass Versicherungsnehmer nach Abschluss einer Versicherung weniger Anstrengungen zur Schadensvermeidung unternahmen als Unversicherte. Beispielsw30, 31, 32eise wurde beobachtet, dass Hausbesitzer mit Feuerversicherung weniger Vorkehrungen gegen Brände trafen. Der Begriff29 trug anfangs eine negative Konnotation, die Betrug oder unmoralisches Verhalten implizierte. Im 20. Jahr28hundert wurde das Konzept jedoch in die allgemeine Wirtschaftstheorie integriert und weiterentwickelt, um die Auswirkungen von Informationsasymmetrien in verschiedenen Märkten zu untersuchen.
Key Take27aways
- Moralisches Risiko beschreibt opportunistisches Verhalten, das nach Vertragsabschluss aufgrund von Informationsasymmetrien entsteht.
- Es führt dazu, dass eine Partei ein höheres Risiko eingeht, weil die negativen Folgen teilweise oder ganz von einer anderen Partei getragen werden.
- Typische Anwendungsbereiche sind die Versicherungs-, Finanz- und Gesundheitsbranche.
- Maßnahmen zur Minderung des moralischen Risikos umfassen Selbstbeteiligungen, Regulierung und Überwachung.
- Das Konzept ist eng mit der Principal-Agent-Theorie verbunden.
Interpretieren des Moralischen Risikos
Moralisches Risiko wird als ein Anreizproblem interpretiert, das die Effizienz von Marktmechanismen beeinträchtigen kann. Es ist nicht dire26kt messbar durch eine Formel, sondern beschreibt eine Verhaltensänderung. Die Interpretation konzentriert sich darauf, wie Anreize gesetzt oder verändert werden, die dazu führen, dass eine Partei riskanter oder nachlässiger handelt, weil sie nicht die vollen Kosten ihrer Entscheidungen tragen muss. In der Finanzwelt kann dies beispielsweise bedeuten, dass Finanzinstitute aufgrund der Erwartung staatlicher Rettungsaktionen (z.B. "Too Big to Fail"-Mentalität) höhere Systemrisiken eingehen. Die Identifizierung des24, 25 moralischen Risikos ist entscheidend für das Risikomanagement und die Gestaltung effektiver Verträge und Regulierungen.
Hypothetisches Beispiel
Stellen Sie sich vor, ein kleines Softwareunternehmen nimmt einen hohen Kredit bei einer Bank auf, um ein ambitioniertes, aber riskantes neues Produkt zu entwickeln. Die Bank hat den Kredit genehmigt, nachdem sie die Geschäftsstrategie und das Geschäftsmodell des Unternehmens geprüft hat. Nach Erhalt des Kredits könnte das Unternehmen jedoch feststellen, dass die anfänglichen Sorgfaltsmaßnahmen reduziert werden können, da die Bank nun einen Großteil des finanziellen Risikos trägt. Das Management könnte entscheiden, weniger in Qualitätssicherung zu investieren oder ein unerfahrenes Team einzustellen, um Kosten zu sparen. Sollte das Produkt scheitern, trägt die Bank den Kreditrisikoverlust, während das Unternehmen die vollen negativen Konsequenzen seines riskanteren Verhaltens möglicherweise nicht alleine schultert. Dies ist ein Beispiel für moralisches Risiko, da sich das Verhalten des Unternehmens nach Vertragsabschluss opportunistisch ändert.
Praktische Anwendungen
Moralisches Risiko zeigt sich in verschiedenen Bereichen des Finanzwesens und der Wirtschaft:
- Versicherungswirtschaft: Ein klassisches Beispiel ist die Neigung von Versicherungsnehmern, nach Abschluss einer Versicherung weniger vorsichtig zu sein. Wenn ein Autobesitzer eine Vollkaskoversicherung hat, könnte er weniger Wert auf das Abschließen des Autos legen, da die Versicherung im Falle eines Diebstahls den Schaden deckt. Versicherungsunternehmen begegnen diesem Pro23blem mit Selbstbeteiligungen oder Ausschlüssen, um Anreize für vorsichtiges Verhalten zu schaffen.
- Banken und Finanzmärkte: Die Annahme, 21, 22dass große Finanzinstitute im Krisenfall vom Staat gerettet werden ("Too Big to Fail"-Prinzip), kann zu übermäßiger Risikobereitschaft führen. Diese Erwartung einer staatlichen Unterstützung mind20ert den Anreiz für die Institute, ihre Risikobereitschaft zu zügeln, da die Kosten eines Scheiterns auf die Steuerzahler abgewälzt werden könnten. Während der Finanzkrise 2007-2009 spielte dieses Konzept 19eine zentrale Rolle im Verhalten von Banken und Finanzinstitutionen.
- Gesundheitswesen: Im Gesundheitswesen kann moralisc18hes Risiko auftreten, wenn Versicherte aufgrund umfassenden Versicherungsschutzes dazu neigen, medizinische Leistungen unnötig häufig in Anspruch zu nehmen.
- Unternehmensführung: Im Rahmen der [Principal-Agent-15, 16, 17Theorie]() kann ein Moral Hazard entstehen, wenn die Manager (Agenten) eines Unternehmens risikoreichere Entscheidungen treffen, die zwar potenziell hohe Gewinne, aber auch hohe Verluste nach sich ziehen könnten, während die Aktionäre (Prinzipale) die Hauptlast der Verluste tragen.
Limitationen und Kritik
Die Theorie des moralischen Risikos ist ein wichtiges Werkzeug zur Analyse von Anreizproblemen, aber sie hat auch ihre Grenzen und Kritikpunkte. Eine häufige Kritik ist die implizite Unterstellung eines bewussten "unmoralischen" Verhaltens, obwohl der Begriff "moralisch" in diesem Kontext ursprünglich "subjektiv" bedeutete und nicht zwingend eine ethische Wertung beinhaltet.
Einige Kritiker argumentieren, dass die Betonung des moralischen Risikos manchmal dazu genutzt wird, die Bereitstellung von sozialen Sicherungssystemen oder staatlichen Hilfen zu rechtfertigen, indem man behauptet, diese würden unvorsichtiges Verhalten fördern. Beispielsweise wurde im Kontext der gesetzlichen Krankenversicherung14 diskutiert, ob Zuzahlungen das moralische Risiko reduzieren könnten, um eine übermäßige Inanspruchnahme von Leistungen zu verhindern.
Darüber hinaus kann es schwierig sein, exakt zu bestimmen, inwieweit ei13ne Verhaltensänderung tatsächlich auf das moralische Risiko zurückzuführen ist und nicht auf andere Faktoren wie unglückliche Umstände oder schlichte Inkompetenz. Regulierungsmaßnahmen, die darauf abzielen, moralisches Risiko zu mindern, wie 12erhöhte Eigenkapitalanforderungen für Banken, können unbeabsichtigte Nebeneffekte haben oder zu "Regulierungsarbitrage" führen, bei der Unternehmen Wege finden, die Regeln zu umgehen, ohne das tatsächliche Risiko zu reduzieren.
Moralisches Risiko vs. Adverse Selektion
Moralisches Risiko und [Adverse Selekti10, 11on](https://diversification.com/term/adverse-selektion) sind beides Probleme, die aus Informationsasymmetrie resultieren, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten in einer Transaktion auftreten und unterschiedliche Verhaltensweisen beschreiben.
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Moralisches Risiko tritt nach Vertragsabschluss auf. Es beschreibt die S9ituation, in der eine Partei, die gegen ein Risiko abgesichert ist oder bei der die Konsequenzen ihres Handelns von einer anderen Partei getragen werden, dazu neigt, ihr Verhalten zu ändern und risikofreudiger oder nachlässiger zu agieren. Der Fokus liegt hier auf "versteckten Handlungen" (hidden action) oder "versteckten Inf8ormationen" (hidden information), die ex post, also nach Vertragsabschluss, stattfinden. Ein Beispiel ist der versicherte Autobesitzer, der weniger vorsichtig fährt.
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Adv7erse Selektion (auch Negativauslese) tritt vor Vertragsabschluss auf. Sie entsteht, wenn eine Partei vor dem Abschluss einer Vereinbarung über private Informationen verfügt, die für die andere Partei relevant wären, aber nicht offengelegt werden. Dies führt dazu, dass sich auf dem Markt ungünstigere Vertragspartner durchsetzen, da die in6formierte Partei ihre Informationsvorteile ausnutzt. Ein klassisches Beispiel ist der Gebrauchtwagenmarkt, wo Verkäufer mehr über die Mängel eines 4, 5Autos wissen als Käufer, was dazu führen kann, dass nur "Montagsautos" (Lemons) angeboten werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass moralisches Risiko eine Verhaltensänderung nach einer Vereinbarung betrifft, während Adverse Selektion eine Informationsasymmetrie vor einer Vereinbarung darstellt, die zu einer negativen Auswahl von Marktteilnehmern führt.
FAQs
Was ist der Hauptgrund für moralisches Risiko?
Der Hauptgrund für moralisches Risiko ist Informationsasymmetrie in Kombination mit ökonomischen Fehlanreizen. Eine Partei hat mehr Informationen über ihre eigenen Handlungen oder Absichten und trägt nicht die vollen 2, 3Kosten oder Risiken ihres Verhaltens, wodurch sie dazu verleitet wird, risikoreicher zu handeln.
In welchen Bereichen tritt moralisches Risiko häufig auf?
Moralisches Risiko tritt häufig in der Versicherungswirtschaft, im Bankwesen und auf Finanzmärkten (insbesondere im Zusammenhang mit staatlichen Bailouts), sowie im Gesundheitswesen und in der Unternehmensführung (im Rahmen der Principal-Agent-Theorie) auf.
Wie kann moralisches Risiko gemindert werden?
Moralisches Risiko kann durch verschiedene Mechanismen gemindert werden, darunter Selbstbeteiligungen in Versicherungsverträgen, strengere Regulierung und Überwachung (z.B. im Bankensektor), leistungsabhängige Vergütung zur Ausrichtung von Anreizen, und Informationsbeschaffung, um Informationsasymmetrien zu reduzieren. Effektives Risikomanagement ist entscheidend.1