Was ist Preisdiskriminierung?
Preisdiskriminierung ist in der Mikroökonomie eine Preisstrategie, bei der ein Verkäufer für dasselbe Produkt oder dieselbe Dienstleistung unterschiedliche Preise von verschiedenen Käufern verlangt, obwohl die Kosten für die Herstellung oder Bereitstellung des Produkts oder der Dienstleistung für jeden Käufer gleich sind. Das Ziel der Preisdiskriminierung ist es, das Verbrauchersurplus abzuschöpfen und die Gewinnmaximierung zu erreichen. Sie basiert auf der Fähigkeit des Verkäufers, Märkte zu segmentieren und die unterschiedliche Preiselastizität der Nachfrage einzelner Kundengruppen zu nutzen.
Geschichte und Ursprung
Das Konzept der Preisdiskriminierung wurde maßgeblich von dem britischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou in seinem Werk "The Economics of Welfare" (1920) formalisiert. Pigou untersuchte in diesem bahnbrechenden Buch verschiedene Formen der Preisdiskriminierung und ihre Auswirkungen auf die Wohlfahrt. Er identifizierte drei Grade der Preisdiskriminierung, die bis heute als Grundlage für das Verständnis dieses Konzepts dienen. Das Phänomen selbst gab es jedoch schon lange vor Pigous Formalisierung, beispielsweise in der Form von Preisverhandlungen oder unterschiedlichen Tarifen für unterschiedliche Kunden. Pigous Arbeit bot einen analytischen Rahmen, um diese Praktiken zu verstehen und ihre Effizienz und Auswirkungen auf die Wirtschaft zu bewerten. Sein Werk "The Economics of Welfare" ist eine der wichtigsten Grundlagen der Wohlfahrtsökonomie und der Analyse von Marktversagen.
Kernpunkte
*16, 17, 18, 19, 20 Preisdiskriminierung bedeutet, dass dasselbe Produkt oder dieselbe Dienstleistung zu unterschiedlichen Preisen an verschiedene Kunden verkauft wird, ohne dass dies durch unterschiedliche Kosten gerechtfertigt ist.
- Ihr Hauptziel ist die Gewinnmaximierung durch die Abschöpfung des Konsumentenrentenüberschusses.
- Voraussetzungen sind Marktmacht, die Möglichkeit der Marktsegmentierung und die Verhinderung des Wiederverkaufs zwischen den Segmenten.
- Man unterscheidet typischerweise drei Grade: perfekte Preisdiskriminierung (erster Grad), Mengenrabatte (zweiter Grad) und Preisdiskriminierung nach Kundengruppen (dritter Grad).
Interpretation der Preisdiskriminierung
Preisdiskriminierung wird als eine Strategie interpretiert, die es Unternehmen mit Marktmacht ermöglicht, ihre Erlöse zu maximieren, indem sie die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der Verbraucher ausnutzen. Ein Unternehmen, das Preisdiskriminierung betreibt, versucht, den maximalen Preis zu verlangen, den jeder einzelne Kunde bereit ist zu zahlen, oder unterschiedliche Preise von verschiedenen Kundengruppen zu verlangen, die eine unterschiedliche Preiselastizität der Nachfrage aufweisen.
Die Fähigkeit zur Preisdiskriminierung hängt von mehreren Faktoren ab:
- Marktmacht: Das Unternehmen muss über eine gewisse Marktmacht verfügen, typischerweise in einem Monopol oder Oligopol, um die Preise festlegen zu können, anstatt sie vom Markt diktieren zu lassen.
- Marktsegmentierung: Es muss möglich sein, die Kunden in verschiedene Gruppen zu unterteilen, basierend auf Kriterien wie Alter, Einkommen, Standort oder Kaufverhalten.
- Verhinderung des Wiederverkaufs (Arbitrage): Die Möglichkeit des Wiederverkaufs des Produkts zwischen den Segmenten muss verhindert werden, da sonst Kunden aus dem günstigeren Segment das Produkt kaufen und es an Kunden im teureren Segment weiterverkaufen würden.
Durch die Anwendung von Preisdiskriminierung können Unternehmen ihre Gewinne steigern, da sie von den Kunden, die bereit sind, mehr zu zahlen, höhere Preise verlangen und gleichzeitig die Kunden, die nur zu einem niedrigeren Preis kaufen würden, nicht verlieren.
Hypothetisches Beispiel
Ein Kino möchte seine Einnahmen maximieren und wendet Preisdiskriminierung an. Es stellt fest, dass Studenten und Senioren eine höhere Preissensibilität haben als die allgemeine Bevölkerung.
- Schritt 1: Marktsegmentierung. Das Kino segmentiert seinen Markt in drei Gruppen: allgemeine Erwachsene, Studenten und Senioren. Die Zugehörigkeit zu den Gruppen kann leicht durch Vorlage eines Studentenausweises oder Rentnerausweises überprüft werden.
- Schritt 2: Preissetzung für jedes Segment.
- Für allgemeine Erwachsene, die als weniger preissensibel angesehen werden, legt das Kino einen Ticketpreis von 15 € fest.
- Für Studenten, die ein geringeres verfügbares Einkommen haben und eher bereit sind, bei höheren Preisen ganz auf den Kinobesuch zu verzichten, wird ein Preis von 10 € festgelegt.
- Für Senioren, die ebenfalls oft über ein begrenztes Einkommen verfügen und möglicherweise mehr Freizeit haben, wird ein Preis von 9 € angeboten.
- Schritt 3: Verhinderung des Wiederverkaufs. Das Kino stellt sicher, dass Studententickets und Seniorentickets nicht an allgemeine Erwachsene weiterverkauft werden können, indem es die Ausweise am Einlass kontrolliert.
- Ergebnis: Durch diese Preisdiskriminierung können mehr Menschen ins Kino gelockt werden, die zu den höheren Preisen nicht gekommen wären, während das Kino gleichzeitig von denjenigen, die bereit sind, den vollen Preis zu zahlen, maximal profitiert. Dies führt zu höheren Gesamteinnahmen als bei einem Einheitspreis für alle.
Praktische Anwendungen
Preisdiskriminierung ist in vielen Branchen weit verbreitet, um Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen und die Erlöse zu optimieren:
- Fluggesellschaften: Airlines sind prominente Anwender der dynamischen Preisgestaltung. Sie verlangen unterschiedliche Preise für denselben Flug, basierend auf Buchungszeitpunkt, Flexibilität des Tickets (Umbuchbarkeit, Stornierung), Reisedatum (Wochentag vs. Wochenende), Klasse (Economy, Business, First) und der Zahlungsbereitschaft, die aus dem Kundenverhalten abgeleitet wird.
- Software und Technologie: Viele Softwareunternehmen bieten gestaffelte Preise an, z.B. eine kostenlose Basisversion, eine Standardversion für Privatnutzer und eine teurere Business-Version mit zusätzlichen Funktionen. Auch Schüler- und Studentenrabatte auf Softwareprodukte sind eine Form der Preisdiskriminierung.
- Bildung: Universitäten praktizieren Preisdiskriminierung, indem sie Studiengebühren basierend auf der finanziellen Bedürftigkeit oder der akademischen Leistung durch Stipendien und Beihilfen anpassen. Dies ermöglicht es ihnen, talentierte Studenten mit geringem Einkommen anz13, 14, 15uziehen, während sie von einkommensstärkeren Studenten den vollen Preis verlangen.
- Medikamente: Pharmaunternehmen können Medikamente in verschiedenen Ländern zu stark unterschiedlichen Preisen verkaufen, was auf die Kaufkraft der Bevölkerung, staatliche Regulierungen und die Patentgesetzgebung zurückzuführen ist.
- Veranstaltungen und Unterhaltung: Kinos, Museen und Sportveranstaltungen bieten oft Rabatte für Studenten, Senioren oder Kinder an, da diese Gruppen eine höhere Preiselastizität der Nachfrage aufweisen und bei vollem Preis möglicherweise nicht teilnehmen würden.
Die Federal Trade Commission (FTC) in den USA reguliert bestimmte Formen der Preisdisk12riminierung, insbesondere im B2B-Bereich, durch den Robinson-Patman Act, um den Wettbewerb zu schützen und unfaire Vorteile für größere Käufer zu verhindern.
Einschränkungen und Kritik
Obwohl Preisdiskriminierung für Unternehmen profitabel sein 7, 8, 9, 10, 11kann, birgt sie auch Einschränkungen und ist Gegenstand von Kritik:
- Komplexität der Implementierung: Die erfolgreiche Umsetzung erfordert detaillierte Kenntnisse der Marktsegmentierung und der Preiselastizität der Nachfrage in jedem Segment. Die Sammlung und Analyse der dafür notwendigen Daten kann aufwendig sein und zu ethischen Bedenken führen, insbesondere wenn Informationsasymmetrie ausgenutzt wird.
- Rechtliche und ethische Bedenken: In einigen Rechtsordnungen sind bestimmte Formen der Preisdiskriminierung illegal, wenn sie den Wettbewerb behindern (z.B. Kartellrecht). Auch wenn legal, kann Preisdiskriminierung als unfair oder ausbeuterisch wahrgenommen werden, insbesondere wenn sie auf individueller Ebene durch dynamische Preisgestaltung umgesetzt wird, bei der Preise personalisiert werden. Dies kann zu Frustration bei Kunden führen, die sich diskriminiert fühlen, wenn sie entdecken, dass4, 5, 6 andere weniger für dasselbe Gut bezahlen.
- Arbitrage-Risiko: Die Verhinderung des Wiederverkaufs (Arbitrage) zwischen den Marktsegmenten ist entscheidend. Gelingt dies nicht, können Kunden aus dem günstigeren Segment Produkte erwerben und gewinnbringend an Kunden im teureren Segment weiterverkaufen, was die Strategie untergräbt.
- Reputationsschäden: Eine aggressive oder undurchsichtige Preisdiskriminierung kann das Markenimage schädigen und zu einem Vertrauensverlust bei den Kunden führen. Öffentliche Empörung über "Aufschlagspreise" (surge pricing) oder personalisierte Preise kann Unternehmen dazu zwingen, ihre Preisstrategie zu überdenken.
- Wohlfahrtseffekte: Die Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt sind komplex. Während perfek3te Preisdiskriminierung theoretisch zu einer effizienten Allokation von Ressourcen führen kann, da alle potenziellen Käufer bedient werden, die über den Grenzkosten liegen, kann sie auch zu einer vollständigen Abschöpfung des Verbrauchersurplus führen. Kritiker bemängeln, dass dies zu einer ungleichen Verteilung der Vorteile führt, bei der Unternehmen auf Kosten der Verbraucher profitieren.
Preisdiskriminierung vs. Produktdifferenzierung
Obwohl sowohl Preisdiskriminierung als auch [Produktdifferenzierung]2(https://diversification.com/term/produktdifferenzierung) es Unternehmen ermöglichen, unterschiedliche Preise zu verlangen, unterscheiden sich die zugrunde liegenden Mechanismen und Absichten grundlegend.
Merkmal | Preisdiskriminierung | Produktdifferenzierung |
---|---|---|
Definition | Verkauf desselben Produkts/Dienstleistung zu unterschiedlichen Preisen an verschiedene Kunden ohne Kostenunterschiede. | Verkauf ähnlicher, aber nicht identischer Produkte/Dienstleistungen, die sich in Merkmalen (Qualität, Design, Marke, Service) unterscheiden, zu unterschiedlichen Preisen. |
Fokus | Unterschiedliche Zahlungsbereitschaft und Preissensibilität der Kunden für das gleiche Produkt. | Schaffung von wahrgenommenem Mehrwert und Einzigartigkeit der Produkte, um Kunden zur Zahlung unterschiedlicher Preise für ähnliche, aber unterschiedliche Produkte zu bewegen (oft wertbasierte Preisgestaltung). |
Produkt | Identisch oder weitgehend identisch. | Ähnlich, aber mit erkennbaren (physischen oder immateriellen) Unterschieden. |
Kosten | Keine Kostenunterschiede rechtfertigen die Preisdifferenz. | Preisunterschiede können teilweise oder vollständig durch unterschiedliche Herstellungs- oder Bereitstellungskosten der differenzierten Produkte gerechtfertigt sein. |
Beispiel | Studententarife für Kinokarten; unterschiedliche Flugpreise für denselben Sitz je nach Buchungszeitpunkt. | Eine Premium-Version eines Smartphones mit mehr Speicher und besserer Kamera zu einem höheren Preis als die Standardversion; verschiedene Marken von Kaffee mit unterschiedlichen Geschmacksnoten und Preisen. |
Während Preisdiskriminierung darauf abzielt, das Maximum aus der Zahlungsbereitschaft für ein und dasselbe Gut herauszuholen, geht es bei der Produktdifferenzierung darum, durch Variation der Eigenschaften und des wahrgenommenen Wertes unterschiedliche Produkte anzubieten, die dann entsprechend bepreist werden können.
Häufig gestellte Fragen
Was sind die drei Grade der Preisdiskriminierung?
Der britische Ökonom A.C. Pigou identifizierte drei Hauptgrade der Preisdiskriminierung:
- Erster Grad (perfekte Preisdiskriminierung): Der Verkäufer verlangt von jedem Kunden genau dessen maximale Zahlungsbereitschaft. Dies ist in der Praxis selten, da vollständige Informationsasymmetrie über die individuelle Zahlungsbereitschaft erforderlich wäre.
- Zweiter Grad: Der Preis variiert je nach Menge des gekauften Produkts (z.B. Mengenrabatte). Der Preis pro Einheit sinkt, wenn größere Mengen abgenommen werden.
- Dritter Grad: Der Verkäufer teilt den Markt in verschiedene Gruppen auf (z.B. Studenten, Senioren, geografische Regionen) und verlangt von jeder Gruppe einen anderen Preis.
Ist Preisdiskriminierung legal?
Die Legalität von Preisdiskriminierung hängt von der jeweiligen Rechtsordnung und der Art der Diskriminierung ab. Im Allgemeinen ist Preisdiskriminierung legal, es sei denn, sie führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs oder ist diskriminierend im Sinne von Antidiskriminierungsgesetzen (z.B. Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Geschlecht). In den USA reguliert der Robinson-Patman Act bestimmte Formen der Preisdiskriminierung im B2B-Handel, um kleine Unternehmen zu schützen.
Warum betreiben Unternehmen Preisdiskriminierung?
Unternehmen betreiben Preisdiskriminierung, um ihre Gewinnmaximierung zu erreichen und ungenutztes Potenzial im Markt zu erschließen. Indem sie unterschiedliche Preise von verschiedenen Kundengruppen verlangen, können sie sowohl Kunden mit hoher Zahlungsbereitschaft optimal abschöpfen als auch Kunden mit geringerer Zahlungsbereitschaft erreichen, die das Produkt sonst nicht gekauft hätten. Dies führt zu höheren Gesamteinnahmen und Gewinnen als bei einem Einheitspreis.