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Rechtsfinanzierung

Was ist Rechtsfinanzierung?

Rechtsfinanzierung bezieht sich auf die Praxis, externe Mittel von Dritten zu erhalten, um die Kosten von Gerichtsverfahren oder anderen rechtlichen Angelegenheiten zu decken. Diese Art der Finanzierung fällt unter die Kategorie der Alternative Anlagen im breiteren Bereich der Finanzdienstleistungen. Sie ermöglicht es Klägern, Anwaltskanzleien oder Unternehmen, rechtliche Schritte zu verfolgen, ohne die vollen Rechtskosten aus eigener Tasche tragen zu müssen. Im Gegenzug für die Finanzierung erhalten die Geldgeber in der Regel einen Anteil am Erlös, falls der Rechtsstreit erfolgreich ist. Rechtsfinanzierung ist typischerweise nicht-rückzahlbar, was bedeutet, dass der Investor sein Kapital und die erwartete Rendite nur bei einem erfolgreichen Ausgang des Falles erhält.

Geschichte und Ursprung

Die moderne Rechtsfinanzierung hat ihre Wurzeln in den 1990er Jahren, wobei Australien und das Vereinigte Königreich als frühe Vorreiter gelten. In Australien entstand die Litigation Finance nach der Verabschiedung von Insolvenzgesetzen, die es Insolvenzverwaltern erlaubten, Verträge zur Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten einzugehen, wobei Rechtsansprüche als Unternehmensvermögen anerkannt wurden. Dies schuf e11inen neuen Nischenmarkt. Parallel dazu kam es im Vereinigten Königreich zu einer Lockerung der historischen Verbote von "Maintenance" und "Champerty" (Unterstützung und Gewinnbeteiligung an Rechtsstreitigkeiten), insbesondere nach dem Criminal Law Act von 1967 und dem Courts and Legal Services Act von 1990, der bedingte Honorarvereinbarungen ("no-win, no-fee") erlaubte. Diese Entwickl10ungen öffneten die Tür für die Beteiligung Dritter an der Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten. In den Vereinigten Staaten begann der Markt für Rechtsfinanzierung ebenfalls in den 1990er Jahren, wuchs aber langsamer aufgrund unterschiedlicher Interpretationen von Champerty in den einzelnen Bundesstaaten.

Kernpunkte

  • 9 Rechtsfinanzierung ist die Bereitstellung von Kapital durch Dritte für rechtliche Angelegenheiten im Austausch für einen Anteil am potenziellen Erlös.
  • Sie ist in der Regel nicht-rückzahlbar, was das Risikomanagement für den Kläger minimiert.
  • Das Konzept entstand in den 1990er Jahren, hauptsächlich in Australien und im Vereinigten Königreich, bevor es sich global ausbreitete.
  • Sie ermöglicht den Zugang zur Justiz für Parteien, denen sonst die finanziellen Mittel für die Verfolgung eines Anspruchs fehlen würden.
  • Rechtsfinanzierung kann sowohl für einzelne Fälle als auch für Portfolios von Rechtsstreitigkeiten eingesetzt werden.

Interpretation der Rechtsfinanzierung

Die Rechtsfinanzierung wird als strategisches Werkzeug zur Kapitalallokation verstanden, das es Unternehmen und Einzelpersonen ermöglicht, den Wert ihrer rechtlichen Ansprüche zu erschließen. Sie wird genutzt, um die mit einem Rechtsstreit verbundenen Kosten auszugleichen und gleichzeitig die Bilanz zu schützen. Für Anleger stellt die Rechtsfinanzierung eine Anlageklasse dar, die oft geringe Korrelation zu traditionellen Kapitalmärkte aufweist und somit Vorteile für die Portfoliodiversifikation bieten kann. Die Bewertung und Annahme eines Falls durch einen Rechtsfinanzierer erfolgt nach einer strengen Due Diligence, die die rechtliche Begründetheit, die Höhe des potenziellen Schadensersatzes und die finanzielle Solvenz des Beklagten berücksichtigt.

Hypothetisches Beispiel

Ein mittelständisches Unternehmen, "TechInnovate GmbH", hat einen vielversprechenden Anspruch wegen Vertragsbruchs gegen einen größeren Wettbewerber. Die erwarteten Anwalts- und Gerichtskosten für dieses komplexe Gerichtsverfahren werden auf 500.000 Euro geschätzt. Die TechInnovate GmbH verfügt über die liquiden Mittel, zieht es aber vor, ihr Kapital für Investitionen in Forschung und Entwicklung einzusetzen, anstatt es in einen potenziell langwierigen und kostspieligen Rechtsstreit zu binden.

Sie wendet sich an einen Rechtsfinanzierer. Nach einer gründlichen Prüfung des Falles und der Anlagethesen des Finanziers bietet dieser an, die 500.000 Euro für die Verfahrenskosten zu übernehmen. Im Gegenzug wird vereinbart, dass der Rechtsfinanzierer 30 % des erzielten Erlöses erhält, falls TechInnovate GmbH den Fall gewinnt. Sollte TechInnovate GmbH verlieren, muss sie nichts an den Finanzierer zurückzahlen. Diese Vereinbarung ermöglicht es TechInnovate GmbH, den Anspruch zu verfolgen und gleichzeitig ihre Betriebsliquidität und strategischen Investitionen zu sichern.

Praktische Anwendungen

Rechtsfinanzierung findet in verschiedenen Bereichen der Finanzwelt und des Rechtswesens Anwendung:

  • Zugang zur Justiz: Für Unternehmen oder Einzelpersonen, denen die finanziellen Mittel fehlen, um berechtigte Ansprüche gegen finanziell stärkere Gegner zu verfolgen, ebnet die Rechtsfinanzierung den Weg zur Justiz.
  • Bilanzmanagement: Unternehmen können Rechtsfinanzierung nutzen, um die Auswirkungen von Rechtskosten auf ihre Bilanzen zu mindern, indem sie diese als Eventualverbindlichkeiten behandeln, die nur bei Erfolg anfallen.
  • Forderungsmanagement und Verflüssigung von Vermögenswerten: Firmen können ausstehende Forderungen oder erwartete Entschädigungen aus Rechtsstreitigkeiten monetarisieren, um sofortige Liquidität zu erhalten.
  • Risikoverlagerung: Sie ermöglicht es Klägern, das finanzielle Risiko eines Rechtsstreits auf den Finanzierer zu übertragen, da dieser bei Misserfolg kein Geld erhält. Dies ist besonders relevant in hochvolatilen Fällen.
  • Innovationsförderung in Anwaltskanzleien: Anwaltskanzleien können Rechtsfinanzierung nutzen, um neue Geschäfte zu akquirieren, Mandanten freundliche Konditionen anzubieten oder in neue, ertragsstarke Bereiche zu expandieren. Eine solche Finanzinnovation kann die Wettbewerbsfähigkeit von Kanzleien stärken.

Ein Beispiel für die Anwendung ist die Finanzierung von komplexen Handelsstreitigkeiten, internationalen Schiedsverfahren oder Sammelklagen, bei denen die Kosten schnell Millionen erreichen können. Die Burford Capital, ein führender Anbieter im Bereich der Rechtsfinanzierung, bietet beispielsweise Lösungen an, die von der Finanzierung einzelner Streitigkeiten bis hin zu ganzen Portfolios von Rechtsfällen reichen.

Einschränkungen und Kritik

Trotz der Vorteile unterliegt die Rechtsfinanzierung6 bestimmten Einschränkungen und ist Gegenstand von Kritik. Eine häufige Kritik betrifft die hohen Kosten der Finanzierung; die Gebühren können einen erheblichen Teil des erzielten Erlöses schmälern, was die letztendliche Entschädigung für den Kläger reduziert. Einige Kritiker argumentieren, dass die Rechtsfinanzierung zu Wucherzinsen führe, obwohl die F5inanzierungsvereinbarungen in der Regel nicht als Darlehen, sondern als Kauf einer Beteiligung am Ergebnis des Rechtsstreits strukturiert sind und daher nicht unter die Wuchergesetze fallen.

Ein weiteres Bedenken ist das Potenzial für Interessenkonflikte. Obwohl Rechtsfinanzierer in d4er Regel keine Kontrolle über die Entscheidungen im Rechtsstreit haben sollten, besteht die Sorge, dass ihr finanzielles Interesse den Anreiz schaffen könnte, die Dauer des Verfahrens zu verlängern oder auf eine bestimmte Einigung hinzuarbeiten, die nicht unbedingt im besten Interesse des Klägers liegt. Dies kann die Beziehung zwischen Anwalt und Mandant beeinträchtigen. Darüber hinaus besteht die Befü3rchtung, dass die Verfügbarkeit von Rechtsfinanzierung die Zahl unbegründeter Klagen (frivolous lawsuits) erhöhen könnte, obwohl empirische Belege hierfür begrenzt sind.

In Deutschland hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Bezug auf die Finanzierung von Gewinnabschöpfungsklagen d2urch Verbraucherverbände durch gewerbliche Prozessfinanzierer entschieden, dass dies unter bestimmten Umständen einen Rechtsmissbrauch darstellen kann. Der BGH argumentierte, dass die Klagebefugnis des Verbandes instrumentalisiert werde, um Einnahmen zu erzielen, was dem gesetzgeberischen Ziel widerspreche. Diese Entscheidung zeigt, dass die Regulierung und rechtliche Auslegung der Rechtsfinanzierung je nach Jurisdiktion variieren kann und fortlaufenden Debatten unterliegt.

Rechtsfinanzierung vs. Prozessfinanzierung

Obwohl die Begriffe Rechtsfinanzierung und Prozessfinanzierung oft synonym verwendet werden, gibt es eine subtile, aber wichtige Unterscheidung, insbesondere im deutschen Kontext.

Rechtsfinanzierung ist der übergeordnete Begriff, der die Finanzierung jeglicher Art von Rechtskosten oder Rechtsansprüchen durch einen Dritten umfasst. Dies kann sich auf die Vorbereitung eines Falls, außergerichtliche Verhandlungen, Schiedsverfahren, Mediation oder auch die Finanzierung von Rechtsberatungskosten beziehen, die nicht notwendigerweise in einem formellen Gerichtsverfahren enden. Es ist eine breitere Investitionsstrategie, die sich auf die Unterstützung von Rechtsangelegenheiten im Allgemeinen konzentriert.

Prozessfinanzierung (oft als "Litigation Finance" im Englischen bezeichnet) ist eine spezifische Form der Rechtsfinanzierung, die sich eng auf die Finanzierung von tatsächlichen Gerichtsverfahren (Prozessen) konzentriert. Hierbei werden die Kosten für Anwälte, Gerichtsgebühren, Sachverständige und andere Ausgaben, die direkt mit einem laufenden oder bevorstehenden Gerichtsverfahren verbunden sind, durch einen Dritten übernommen. Der Fokus liegt hier eindeutig auf der Unterstützung von Rechtsstreitigkeiten, die vor Gericht ausgetragen werden.

Die Verwirrung entsteht, weil Prozessfinanzierung die prominenteste und am häufigsten diskutierte Form der Rechtsfinanzierung ist. Im Grunde ist die Prozessfinanzierung ein Spezialfall oder ein Unterbereich der umfassenderen Rechtsfinanzierung. Während jede Prozessfinanzierung eine Form der Rechtsfinanzierung ist, ist nicht jede Rechtsfinanzierung eine Prozessfinanzierung.

FAQs

1. Ist Rechtsfinanzierung legal?

Ja, Rechtsfinanzierung ist in vielen Ländern und Gerichtsbarkeiten legal und zunehmend verbreitet. Die spezifischen Regeln und Vorschriften können jedoch je nach Region stark variieren. Einige Länder oder Bundesstaaten haben spezifische Gesetze, die die Praxis regeln, während andere dies nicht tun.

2. Wer nutzt Rechtsfinanzierung?

Rechtsfinanzierung wird von einer Vielzahl von Parteien genutzt, darunter Einzelpersonen mit Personen- oder Zivilrechtsansprüchen, kleine und mittelständische Unternehmen, Großkonzerne und sogar Anwaltskanzleien. Sie wird oft von jenen in Anspruch genommen, die die Kosten eines Rechtsstreits nicht tragen wollen oder können, oder die ihr Kapital lieber für andere Zwecke einsetzen möchten.

3. Was sind die Risiken für den Kläger?

Da die Rechtsfinanzierung in der Regel nicht-rückzahlbar ist, trägt der Kläger bei einem Misserfolg des Falles kein direktes finanzielles Risiko gegenüber dem Finanzierer; er muss das erhaltene Kapital nicht zurückzahlen. Das Haupt"risiko" für den Kläger besteht darin, dass ein erheblicher Teil des potenziellen Erlöses im Erfolgsfall an den Finanzierer geht, was die eigene Netto-Entschädigung mindert. Es gibt auch das Risiko, dass der Fall nicht so erfolgreich ist wie erwartet, was zu einer geringeren Ausschüttung für alle Parteien führt.

4. Unterscheidet sich Rechtsfinanzierung von einer Rechtsschutzversicherung?

Ja, es gibt grundlegende Unterschiede. Eine Rechtsschutzversicherung bietet in der Regel Versicherungsschutz für Rechtskosten im Vorfeld eines Rechtsstreits und deckt oft eine breite Palette von rechtlichen Angelegenheiten ab, unabhängig vom Erfolgsaussichten des Falles (bis zur Deckungssumme). Rechtsfinanzierung hingegen ist eine Form der Investition in einen spezifischen Rechtsanspruch, bei der die Rückzahlung und Rendite des Finanzierers vom erfolgreichen Ausgang des Falles abhängt. Eine Rechtsschutzversicherung ist eine Absicherung, während Rechtsfinanzierung eine Investitionslösung für einen bestehenden Anspruch ist.

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