Was ist Schiefe?
Schiefe (engl. skewness) ist ein statistisches Maß, das die Asymmetrie der Wahrscheinlichkeitsverteilung von reellen Werten um ihr arithmetisches Mittel beschreibt. Innerhalb der statistischen Analyse und des Risikomanagements ist die Schiefe ein wichtiges Instrument der deskriptiven Statistik und gehört zur Kategorie der statistischen Momente höherer Ordnung. Sie gibt an, ob die Daten stärker nach links oder rechts vom Mittelwert verteilt sind, und ergänzt somit die Informationen über die zentrale Tendenz und die Variabilität einer Verteilung.
Geschichte und Ursprung
Das Konzept der Schiefe als Maß für die Asymmetrie von Verteilungen wurde maßgeblich von dem englischen Mathematiker und Biostatistiker Karl Pearson (1857–1936) formalisiert. Pearson, eine Schlüsselfigur in der Entwicklung der modernen Statistik, führte Ende des 19. Jahrhunderts Koeffizienten zur Quantifizierung der Schiefe ein. Seine Arbeit zielte darauf ab, die Eigenschaften von Verteilungen, die nicht der idealen Normalverteilung entsprachen, genauer zu beschreiben. Pearson war an der Beschreibung von Abweichungen von der Symmetrie interessiert, was zur Entwicklung verschiedener "Momente" einer Verteilung führte, darunter auch die Schiefe.
Wichtigste4 Erkenntnisse
- Schiefe ist ein Maß für die Asymmetrie einer Datenverteilung um ihren Mittelwert.
- Eine Verteilung mit positiver Schiefe hat einen längeren rechten (positiven) Ausläufer.
- Eine Verteilung mit negativer Schiefe hat einen längeren linken (negativen) Ausläufer.
- Eine symmetrische Verteilung, wie die Normalverteilung, weist eine Schiefe nahe Null auf.
- In der Finanzwelt ist die Schiefe wichtig für das Verständnis von Renditeverteilungen und die Bewertung von Risiken.
Formel und Berechnung
Die Schiefe wird als drittes standardisiertes Moment einer Verteilung berechnet. Für eine Stichprobe von $N$ Beobachtungen $Y_1, Y_2, \dots, Y_N$ mit dem Stichprobenmittelwert (\bar{Y}) und der Standardabweichung (s) ist die Stichprobenschiefe (Momentenkoeffizient der Schiefe) definiert als:
Die Formel berechnet die durchschnittliche Potenz der standardisierten Abweichungen vom Mittelwert. Eine alternative, oft in Software verwendete Version, die eine bessere Schätzung für kleine Stichproben liefert, ist:
\text{Schiefe} = \fra[^3^](http://www.sigmapedia.com/includes/term.cfm?&word_id=1633&lang=ENG)c{N}{(N-1)(N-2)} \sum_{i=1}^{N} \left( \frac{Y_i - \bar{Y}}{s} \right)^3Diese Formeln quantifizieren, wie stark eine Verteilung von der Symmetrie abweicht. Die Varianz und Standardabweichung sind Maße für die Streuung, während die Schiefe die Form der Verteilung über diese grundlegenden Streuungsmaße hinaus charakterisiert.
Interpretation der Schiefe
Die Interpretation des Schiefewerts ist entscheidend, um die Form einer Datenverteilung zu verstehen:
- Schiefe = 0: Eine perfekt symmetrische Verteilung. Das arithmetische Mittel, der Median und der Modus liegen bei dieser Verteilung theoretisch auf dem gleichen Wert.
- Positive Schiefe (Rechtsschiefe): Der rechte Ausläufer der Verteilung ist länger oder "fetter" als der linke. Dies bedeutet, dass es relativ wenige, aber extreme positive Werte gibt, die den Mittelwert über den Median hinausziehen. In Finanzkontexten könnten positiv schiefe Marktrenditen bedeuten, dass kleine, häufige Verluste durch gelegentliche große Gewinne ausgeglichen werden.
- Negative Schiefe (Linksschiefe): Der linke Ausläufer der Verteilung ist länger oder "fetter" als der rechte. Hier gibt es wenige, aber extreme negative Werte, die den Mittelwert unter den Median ziehen. Negativ schiefe Renditeverteilungen sind in der Finanzwelt oft unerwünscht, da sie auf das Risiko seltener, aber großer Verluste hindeuten.
Hypothethisches Beispiel
Stellen Sie sich vor, ein Hedgefondsmanager analysiert die monatlichen Renditen von zwei verschiedenen Strategien, Strategie A und Strategie B, über einen Zeitraum von fünf Jahren.
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Strategie A: Die Renditen zeigen eine Schiefe von +0,8. Dies deutet auf eine positive Schiefe hin. In der Praxis könnte dies bedeuten, dass die Strategie tendenziell kleine, häufige Verluste oder moderate Gewinne erzielt, aber gelegentlich sehr große positive Ausreißer aufweist, die die Gesamtperformance nach oben ziehen. Anleger, die nach großen Gewinnen suchen und bereit sind, häufigere kleine Rückgänge zu tolerieren, könnten diese Art der Anlageperformance bevorzugen.
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Strategie B: Die Renditen zeigen eine Schiefe von -1,2. Dies deutet auf eine starke negative Schiefe hin. Dies könnte bedeuten, dass die Strategie tendenziell moderate Gewinne erzielt, aber das Risiko seltener, dafür aber sehr großer Verluste birgt, die den Mittelwert stark nach unten ziehen. Für Anleger, die Kapitalschutz priorisieren, könnte eine solche Verteilung als riskant angesehen werden, selbst wenn die durchschnittliche Rendite attraktiv erscheint.
Durch die Berücksichtigung der Schiefe kann der Manager die Qualität und das Risikomanagement jeder Strategie besser einschätzen, über reine Mittelwert- und Standardabweichung-Analysen hinaus.
Praktische Anwendungen
Schiefe ist ein unverzichtbares Konzept in vielen Bereichen der Finanzanalyse:
- Portfoliomanagement: Anleger und Portfoliomanager nutzen die Schiefe, um die Renditeverteilung von Wertpapieren und Portfolios zu bewerten. Ein Anleger könnte eine positiv schiefe Renditeverteilung bevorzugen (häufig kleine Gewinne, seltene große Gewinne) gegenüber einer negativ schiefen (häufig kleine Gewinne, seltene große Verluste). Dies beeinflusst die Portfoliodiversifikation und die Wahl der Asset Allocation.
- Risikobewertung: Die Schiefe hilft bei der Identifizierung von "Tail Risks", also Risiken, die mit extremen Ereignissen verbunden sind, die nicht durch eine normale Verteilung erfasst werden. Negative Schiefe weist auf das Potenzial für große, seltene Verluste hin, was für die Berechnung von Kennzahlen wie Value at Risk entscheidend ist.
- Derivatemärkte: Die Preise von Optionen spiegeln oft die erwartete Schiefe der zugrunde liegenden Vermögenswerte wider. Bei erwarteter negativer Schiefe (z. B. Aktien) sind Put-Optionen tendenziell teurer als Call-Optionen mit gleichem Abstand zum aktuellen Preis.
- Finanzmodellierung: Bei der Erstellung von Modellen für finanzielle Vermögenswerte und Ereignisse ist es wichtig, die Schiefe der Daten zu berücksichtigen, um realistische Simulationen zu ermöglichen. Die Annahme einer Normalverteilung ohne Berücksichtigung der Schiefe kann zu einer Unterschätzung von Risiken führen. Finanzielle Marktrenditen zeigen häufig eine negative Schiefe, was bedeutet, dass signifikante Verluste häufiger sind als es eine Normalverteilung vorhersagen würde.
Einschränkungen und Kritik
Obwohl die Schiefe ein wertvolles statistisches W2erkzeug ist, weist sie auch Einschränkungen auf:
- Nicht der einzige Indikator: Die Schiefe allein bietet kein vollständiges Bild der Verteilungsform. Sie muss in Verbindung mit anderen Momenten wie dem arithmetischen Mittel, der Standardabweichung und insbesondere der Kurtosis betrachtet werden. Eine Verteilung kann eine Schiefe nahe Null aufweisen, aber dennoch sehr "fette Enden" (hohe Kurtosis) haben, was auf ein höheres Risiko extremer Ereignisse hindeutet.
- Empfindlichkeit gegenüber Ausreißern: Die Berechnung der Schiefe basiert auf 1der dritten Potenz der Abweichungen vom Mittelwert, was sie sehr empfindlich gegenüber extremen Ausreißern macht. Ein einziger atypischer Datenpunkt kann den Schiefewert stark beeinflussen und möglicherweise ein irreführendes Bild der Gesamtverteilung vermitteln.
- Schätzungsschwierigkeiten bei kleinen Stichproben: Die Schiefe kann bei kleinen Stichproben unzuverlässig sein, da die Schätzung des dritten Moments eine größere Anzahl von Beobachtungen erfordert, um stabil zu sein.
Schiefe vs. Kurtosis
Schiefe und Kurtosis sind beides Maße für die Form einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, beschreiben aber unterschiedliche Aspekte.
- Schiefe misst die Asymmetrie der Verteilung. Sie gibt an, ob die Daten stärker zu einer Seite des Mittelwerts geneigt sind und welcher Ausläufer (rechts oder links) länger ist. Ein Wert ungleich Null bedeutet eine Abweichung von der Symmetrie.
- Kurtosis (manchmal auch als Wölbung bezeichnet) misst die "Schwanzlastigkeit" und die "Spitzigkeit" einer Verteilung im Vergleich zur Normalverteilung. Eine hohe Kurtosis deutet auf mehr Daten in den "Enden" der Verteilung und eine schärfere Spitze hin (Leptokurtose), während eine niedrige Kurtosis flachere Enden und eine breitere Spitze anzeigt (Platokurtose).
Zusammen liefern Schiefe und Kurtosis ein umfassenderes Bild der Form einer Renditeverteilung als Mittelwert und Standardabweichung allein, da sie die Wahrscheinlichkeit extremer Ereignisse und die allgemeine Form der Verteilung jenseits der Symmetrie und Streuung beleuchten.
FAQs
1. Warum ist Schiefe im Finanzwesen wichtig?
Die Schiefe ist im Finanzwesen wichtig, da die Renditen von Finanzanlagen selten einer symmetrischen Normalverteilung folgen. Die Schiefe hilft Anlegern, das Risiko extremer Gewinne oder Verluste besser zu verstehen, die von traditionellen Risikomaßen wie der Standardabweichung möglicherweise nicht ausreichend erfasst werden.
2. Was bedeutet eine positive Schiefe für Anleger?
Eine positive Schiefe bedeutet, dass eine Anlage häufiger kleine Verluste oder moderate Gewinne aufweist, aber auch das Potenzial für gelegentliche, sehr große Gewinne. Einige Anleger könnten dies als wünschenswert empfinden, da die großen Gewinne die kleineren Verluste überkompensieren können, ähnlich einer Lotterie-Auszahlungsstruktur.
3. Was bedeutet eine negative Schiefe für Anleger?
Eine negative Schiefe bedeutet, dass eine Anlage häufiger kleine Gewinne erzielt, aber das Risiko seltener, dafür aber sehr großer Verluste birgt. Dies ist oft in Renditeverteilungen von Aktien zu finden und weist auf "Tail Risk" hin, also das Risiko seltener, aber schwerwiegender Ereignisse. Viele Anleger versuchen, Portfolios mit negativer Schiefe zu vermeiden oder abzusichern.
4. Kann Schiefe für die Prognose von Finanzmärkten verwendet werden?
Die Schiefe ist ein deskriptives Maß, das die Form der historischen Datenverteilung beschreibt. Während sie Einblicke in vergangene Risikomuster gibt, ist sie kein direkter Indikose für zukünftige Marktrenditen oder ein Prognoseinstrument im engeren Sinne. Finanzanalysten verwenden sie jedoch, um Annahmen in Finanzmodellierungen zu verfeinern und das Risikoprofil einer Anlage oder eines Portfolios besser zu verstehen.