Was ist Aktienverwasserung?
Aktienverwasserung, auch bekannt als Verwässerung des Gewinn pro Aktie (EPS), ist ein Phänomen in der Unternehmensfinanzierung, das auftritt, wenn ein Unternehmen neue Aktien ausgibt, wodurch der Anteil der bestehenden Anteilseigner am Unternehmen sinkt. Diese Emission neuer Aktien kann das Stimmrecht pro Aktie, den Anteil am Gewinn und den anteiligen Wert des Eigenkapitals verringern. Aktienverwasserung tritt typischerweise auf, wenn Unternehmen Kapital aufnehmen, Mitarbeiteroptionen ausüben oder Wandelanleihen in Aktien umwandeln.
Geschichte und Ursprung
Das Konzept der Aktienverwasserung ist untrennbar mit der Entwicklung der Kapitalmärkte und der Unternehmensfinanzierung verbunden. Seit Unternehmen begonnen haben, Kapital durch die Ausgabe von Anteilen zu beschaffen, war die potenzielle Verwässerung der bestehenden Anteile eine inhärente Überlegung. Historisch gesehen wurde die Verwässerung meist dann relevant, wenn Unternehmen Kapital benötigten, um Wachstum zu finanzieren, Schulden zu begleichen oder Akquisitionen durchzuführen. Eine der häufigsten Formen der Kapitalbeschaffung, die zu Verwässerung führt, sind Aktienemissionen. Im Laufe der Zeit haben Finanztheoretiker und Ökonomen die Auswirkungen von Aktienemissionen auf den Aktienkurs und den Wert für die Aktionäre untersucht. Eine Analyse der National Bureau of Economic Research (NBER) aus dem Jahr 2007, die die Auswirkungen von Aktienemissionen auf Aktienkurse untersuchte, zeigte beispielsweise, dass der Markt die Ausgabe neuer Aktien oft als ein Signal für zukünftige Erträge oder Risiken interpretierte, was sich auf die Wertentwicklung der Aktie auswirken konnte.
Kernpunkte
- 4 Aktienverwasserung tritt auf, wenn die Anzahl der ausstehenden Aktien eines Unternehmens zunimmt, was den prozentualen Anteil der bestehenden Aktionäre an diesem Unternehmen verringert.
- Sie kann durch verschiedene Ereignisse ausgelöst werden, darunter die Ausgabe neuer Aktien zur Kapitalbeschaffung, die Umwandlung von Wandelschuldverschreibungen oder die Ausübung von Aktienoptionen durch Mitarbeiter.
- Die Hauptauswirkung der Aktienverwasserung ist die Reduzierung des Gewinn pro Aktie (EPS) und des Stimmrechts pro Aktie für die bestehenden Anteilseigner.
- Unternehmen müssen die potenzielle Verwässerung gegen den Nutzen der Kapitalbeschaffung abwägen, da sie den Marktwert und die Wahrnehmung durch Investoren beeinflussen kann.
- Aktienverwasserung ist ein wichtiger Faktor bei der Unternehmensbewertung und der Analyse der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens.
Formel und Berechnung
Die Auswirkungen der Aktienverwasserung werden häufig am Gewinn pro Aktie (EPS) gemessen. Das verwässerte EPS berücksichtigt alle potenziell verwässernden Wertpapiere.
Die grundlegende Formel zur Berechnung der Verwässerung des Anteilsbesitzes ist:
Für den verwässerten Gewinn pro Aktie (Diluted EPS) lautet die Formel:
Dabei sind:
- Nettoertrag: Der gesamte Gewinn des Unternehmens nach Steuern.
- Gewichtete durchschnittliche Anzahl ausstehender Stammaktien: Die über einen Berichtszeitraum durchschnittlich im Umlauf befindliche Anzahl von Stammaktien.
- Potenziell verwässernde Wertpapiere: Dazu gehören Aktienoptionen, Wandelschuldverschreibungen oder Vorzugsaktien, die in Stammaktien umgewandelt werden könnten.
Interpretation der Aktienverwasserung
Die Aktienverwasserung wird typischerweise als eine Reduzierung des Anteils der einzelnen Anteilseigner am Unternehmen interpretiert. Wenn ein Unternehmen neue Aktien ausgibt, verteilt sich der Gesamtgewinn des Unternehmens auf eine größere Anzahl von Aktien, was den Gewinn pro Aktie (EPS) reduziert. Für Investoren bedeutet dies, dass ihr Anspruch auf die zukünftigen Gewinne des Unternehmens und ihr proportionales Stimmrecht sinken.
Ob die Aktienverwasserung als positiv oder negativ bewertet wird, hängt vom Kontext ab. Wenn die Kapitalbeschaffung durch die Aktienemission zu einer Steigerung des zukünftigen Wachstums und der Rentabilität des Unternehmens führt, die den negativen Effekt der Verwässerung überkompensiert, kann sie langfristig vorteilhaft sein. Wenn jedoch keine klare Wertschöpfung erkennbar ist oder die Verwässerung nur zur Deckung von Verlusten dient, kann sie den Wert für die Aktionäre mindern. Die Analyse der Bilanz vor und nach einer Aktienemission kann Aufschluss über die Auswirkungen auf das Eigenkapital und die Verschuldung geben.
Hypothetisches Beispiel
Angenommen, die Firma "TechSolutions GmbH" hat 10 Millionen Stammaktien im Umlauf und erzielt einen jährlichen Nettogewinn von 20 Millionen Euro. Der Gewinn pro Aktie (EPS) beträgt somit 2,00 Euro (20 Mio. Euro / 10 Mio. Aktien).
Um in ein neues Wachstumsfeld zu investieren, beschließt TechSolutions GmbH, eine Kapitalerhöhung durchzuführen und weitere 2 Millionen neue Aktien auszugeben. Nach der Emission sind nun 12 Millionen Aktien im Umlauf (10 Mio. + 2 Mio.).
Wenn der Nettogewinn der TechSolutions GmbH unverändert bleibt und weiterhin 20 Millionen Euro beträgt, berechnet sich der neue Gewinn pro Aktie wie folgt:
In diesem Beispiel wurde der Gewinn pro Aktie durch die Aktienverwasserung von 2,00 Euro auf 1,67 Euro reduziert, was eine Verwässerung von rund 16,5% darstellt. Ein bestehender Anteilseigner, der vor der Emission beispielsweise 100 Aktien besaß, hält nun immer noch 100 Aktien, aber diese repräsentieren einen kleineren Anteil am Gesamtunternehmen und am Gesamtgewinn pro Aktie.
Praktische Anwendungen
Aktienverwasserung ist ein zentraler Aspekt in verschiedenen Bereichen der Finanzwelt:
- Kapitalbeschaffung: Unternehmen geben neue Aktien aus, um frisches Eigenkapital zu erhalten. Dies ist häufig bei Börsengängen, Sekundäremissionen oder Kapitalerhöhungen der Fall. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Ankündigung von Amerant Bancorp im September 2024, ein öffentliches Angebot von über 7,9 Millionen Stammaktien zu bepreisen, um das Kapital für allgemeine Unternehmenszwecke und organische Wachstumsinitiativen zu nutzen. Solche Angebote führen zu einer Verwässerung der bestehenden Anteile.
- Mit3arbeitervergütung: Viele Unternehmen nutzen Aktienoptionen und aktienbasierte Vergütungspläne, um Mitarbeiter zu motivieren. Wenn diese Optionen ausgeübt oder Restricted Stock Units (RSUs) unverfallbar werden, erhöht sich die Anzahl der ausstehenden Aktien und führt zu Verwässerung.
- Fusionen und Übernahmen: Bei Fusionen und Übernahmen können neue Aktien des übernehmenden Unternehmens als Teil des Kaufpreises ausgegeben werden, was die Anteilseigner des übernehmenden Unternehmens verwässert.
- Umwandlung von Wandelanleihen: Unternehmen können Wandelschuldverschreibungen oder Wandelvorzugsaktien ausgeben. Wenn diese Wertpapiere in Stammaktien umgewandelt werden, führt dies ebenfalls zu einer Zunahme der Aktienanzahl und somit zu Verwässerung. Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein Unternehmen wie Delivery Hero neue Schulden- und Eigenkapitalfinanzierungen aufnimmt, die den Wert der bestehenden Aktien beeinflussen können.
Einschränkungen und Kritik
Obwohl Aktienverwasserung ein notwendiges Instrument für die Kapita2lbeschaffung sein kann, birgt sie auch potenzielle Nachteile und wird von Investoren oft kritisch beäugt:
- Reduzierter Gewinn pro Aktie: Die offensichtlichste Kritik ist die sofortige Reduzierung des Gewinns pro Aktie, was den Marktwert der Aktien negativ beeinflussen kann, wenn die Kapitalbeschaffung nicht zu proportional höheren Gewinnen führt.
- Machtverlust der Anteilseigner: Mit einer erhöhten Anzahl von Aktien verringert sich das Stimmrecht und der Einfluss jedes einzelnen Aktionärs. Dies kann besonders bei kleineren Anlegern oder aktivistischen Aktionären auf Widerstand stoßen.
- Signalwirkung: Eine übermäßige oder unbegründete Aktienverwasserung kann von den Kapitalmärkten als Zeichen finanzieller Schwäche oder mangelnder Rentabilität wahrgenommen werden. Investoren könnten annehmen, dass das Unternehmen nicht in der Lage ist, Kapital auf andere Weise zu beschaffen (z. B. durch Schulden oder operative Cashflows). Die Financial Times wies darauf hin, dass Bezugsrechtsausgaben eine riskante Methode für Unternehmen sein können, um Geld zu beschaffen, was auf die negativen Auswirkungen für bestehende Aktionäre hindeutet.
- Verwässerung des Verwässerungsschutzes: Einige Unternehmen haben Verwässerungsschutzmaßnahmen in ihren Wertpapie1ren, aber diese sind nicht immer umfassend und können selbst wieder verwässert werden.
Aktienverwasserung vs. Kapitalerhöhung
Die Begriffe "Aktienverwasserung" und "Kapitalerhöhung" werden oft im selben Atemzug genannt, sind aber nicht identisch. Eine Kapitalerhöhung ist der Prozess, durch den ein Unternehmen zusätzliches Eigenkapital beschafft, typischerweise durch die Ausgabe neuer Aktien. Die Aktienverwasserung ist die Folge einer solchen Kapitalerhöhung, bei der der relative Besitzanteil und der Wert pro Aktie der bestehenden Aktionäre reduziert werden.
Man kann sagen, dass eine Kapitalerhöhung fast immer zu einer Aktienverwasserung führt, es sei denn, die neuen Aktien werden zu einem so hohen Preis ausgegeben, dass der Wert des Unternehmens pro Aktie steigt, was selten der Fall ist, oder die neuen Aktien werden von neuen Investoren gezeichnet, die keine bestehenden Anteilseigner sind und deren Anteil nicht direkt beeinflusst wird. Die Kapitalerhöhung ist ein Vorgang der Finanzierung, während die Aktienverwasserung die Auswirkung auf die Eigentümerstruktur und den Anteil pro Aktie ist.
FAQs
Was ist der Hauptgrund für Aktienverwasserung?
Der Hauptgrund für Aktienverwasserung ist die Ausgabe neuer Aktien durch ein Unternehmen, um Kapital zu beschaffen, Schulden zu begleichen, Akquisitionen zu finanzieren oder Mitarbeiter durch aktienbasierte Vergütungen zu entlohnen.
Ist Aktienverwasserung immer schlecht für Investoren?
Nicht unbedingt. Obwohl die Aktienverwasserung kurzfristig den Gewinn pro Aktie reduziert, kann sie langfristig vorteilhaft sein, wenn das durch die neuen Aktien beschaffte Kapital erfolgreich für Wachstumsprojekte, Forschung und Entwicklung oder die Reduzierung von Schulden eingesetzt wird, die letztendlich den Unternehmenswert steigern und die zukünftigen Gewinne erhöhen.
Wie können Anteilseigner sich vor Verwässerung schützen?
Anteilseigner können sich nicht vollständig vor Verwässerung schützen, da diese eine Entscheidung des Unternehmens ist. Sie können jedoch die Unternehmenspolitik und die Gründe für Aktienemissionen genau prüfen. In einigen Fällen haben bestehende Aktionäre ein Bezugsrecht, das es ihnen ermöglicht, proportional neue Aktien zu kaufen, um ihren Anteil am Unternehmen zu erhalten. Dies wird auch als Bezugsrechtsemission bezeichnet.
Welche Arten von Wertpapieren führen zu potenzieller Verwässerung?
Zu den Wertpapieren, die zu potenzieller Verwässerung führen können, gehören Wandelschuldverschreibungen, Wandelvorzugsaktien, Aktienoptionen und Warrants. Diese können unter bestimmten Bedingungen in Stammaktien umgewandelt werden und somit die Anzahl der ausstehenden Aktien erhöhen.