Was sind Derivati?
Derivati (Derivatives) sind Finanzinstrumente, deren Wert von der Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Vermögenswerts (sogenannter Basiswert), eines Indexes oder eines Referenzzinssatzes abgeleitet wird. Sie gehören zur Kategorie der Finanzinstrumente und sind in modernen Finanzmärkte integraler Bestandteil für vielfältige Zwecke wie Risikomanagement, Spekulation und Arbitrage. Derivati sind Verträge zwischen zwei oder mehreren Parteien, die spezifische Bedingungen für zukünftige Transaktionen festlegen, ohne dass der Basiswert sofort den Besitzer wechselt. Gängige Arten von Derivaten umfassen Optionen, Terminkontrakte, Forwards und Swaps.
Geschichte und Ursprung
Die Geschichte der Derivati reicht weit zurück, mit frühen Formen von Verträgen, die auf zukünftige Lieferungen oder Ereignisse abzielten. Einer der frühesten organisierten Terminmärkte war die Dojima-Reisbörse (Dojima Rice Exchange) in Osaka, Japan, die im Jahr 1730 von der Tokugawa-Shogunat offiziell genehmigt wurde. Dort wurden Reis-Futures gehandelt, um Reisbauern und -händlern zu helfen, sich gegen Preisschwankungen abzusichern. In den Vereinigt4en Staaten entstanden ähnliche Märkte Mitte des 19. Jahrhunderts, insbesondere in Chicago, wo die Chicago Board of Trade (CBOT) gegründet wurde, um den Handel mit Agrarrohstoffen zu standardisieren und zu organisieren. Die modernen Derivatemärkte, insbesondere für Finanzderivate, expandierten jedoch ab den 1970er Jahren erheblich mit der Entwicklung komplexerer Bewertungsmodelle und der Globalisierung der Kapitalmärkte.
Kernpunkte
- Derivati sind Finanzkontrakte, deren Wert sich von einem Basiswert ableitet.
- Sie werden hauptsächlich für Hedging (Absicherung), Spekulation und Arbitrage eingesetzt.
- Gängige Arten sind Optionen, Terminkontrakte, Forwards und Swaps.
- Obwohl sie Risiken steuern können, bergen Derivati aufgrund von Hebelwirkung und Gegenparteirisiko auch erhebliche Risiken.
Interpretation der Derivati
Die Interpretation von Derivati hängt stark von ihrem spezifischen Typ und dem zugrunde liegenden Zweck ab. Im Allgemeinen spiegeln Derivati die Erwartungen des Marktes hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklung des Basiswert wider. Für Hedger signalisiert ein Derivategeschäft die Übertragung oder Minimierung eines bestimmten Risikos, beispielsweise des Währungsrisikos für ein multinationales Unternehmen. Für Spekulanten hingegen bietet es eine Möglichkeit, auf zukünftige Preisbewegungen des Basiswert zu wetten, oft mit erhöhter Hebelwirkung. Die Preise von Derivaten werden durch Faktoren wie den Preis des Basiswerts, die Restlaufzeit, die Volatilität des Basiswerts und die Zinssätze beeinflusst.
Hypothetisches Beispiel
Ein deutscher Exporteur, "ABC GmbH", erwartet in drei Monaten eine Zahlung von 1.000.000 USD für gelieferte Waren. Um sich gegen das Risiko ungünstiger Wechselkursschwankungen abzusichern, kann die ABC GmbH einen Devisen-Forwards-Kontrakt abschließen. Angenommen, der aktuelle Wechselkurs beträgt 1 EUR = 1,08 USD, und der Exporteur befürchtet, dass der USD gegenüber dem EUR abwerten könnte.
Die ABC GmbH könnte mit einer Bank einen Forwards-Kontrakt abschließen, um 1.000.000 USD in drei Monaten zu einem vereinbarten Kurs von beispielsweise 1 EUR = 1,07 USD zu verkaufen.
- Szenario 1 (Absicherung erfolgreich): In drei Monaten fällt der Spot-Wechselkurs auf 1 EUR = 1,05 USD. Ohne den Forwards-Kontrakt hätte die ABC GmbH nur 1.000.000 USD / 1,05 = 952.380,95 EUR erhalten. Durch den Forwards-Kontrakt erhält sie jedoch 1.000.000 USD / 1,07 = 934.579,44 EUR, wodurch sie sich vor dem zusätzlichen Verlust durch die Wechselkursbewegung geschützt hat.
- Szenario 2 (Absicherung nicht benötigt, aber Kosten verursacht): In drei Monaten steigt der Spot-Wechselkurs auf 1 EUR = 1,10 USD. Ohne den Forwards-Kontrakt hätte die ABC GmbH 1.000.000 USD / 1,10 = 909.090,91 EUR erhalten. Durch den Forwards-Kontrakt erhält sie weiterhin die vereinbarten 934.579,44 EUR, verpasst aber die Möglichkeit, zu einem besseren Kurs zu tauschen.
Dieses Beispiel zeigt, wie Derivati für Hedging eingesetzt werden können, um Unsicherheiten im Handel zu reduzieren.
Praktische Anwendungen
Derivati finden breite Anwendung in der Finanzwelt, von der Absicherung bis zur Renditegenerierung.
- Risikomanagement: Unternehmen nutzen Derivati, um sich gegen Preisschwankungen bei Rohstoffen, Währungen oder Zinssätzen abzusichern. Ein Luftfahrtunternehmen könnte beispielsweise Futures auf Jet-Treibstoff kaufen, um sich gegen steigende Ölpreise zu schützen. Finanzinstitute verwenden Zins- Swaps, um ihr Zinsrisiko zu steuern. Die CME Group bietet beispielsweise eine breite Palette von Futures- und Optionsprodukten für das Risikomanagement an.
- Spekulation: Anleger können Derivati nutzen, um auf zukünftige Preisbewegungen des Basiswert zu wetten. Dies ermöglicht es ihnen, mit weniger Kapitaleinsatz eine größere Position zu kontrollieren, was die potenzielle Rendite, aber auch das Risiko erhöht.
- Arbitrage: Professionelle Händler suchen nach kleinen Preisunterschieden zwischen einem Derivat und seinem Basiswert oder zwischen verschiedenen Derivaten, um risikofreie Gewinne zu erzielen.
- Portfoliomanagement: Fondsmanager nutzen Derivati, um die Allokation ihres Portfolios schnell anzupassen, ohne die zugrunde liegenden Vermögenswerte physisch kaufen oder verkaufen zu müssen. Beispielsweise können Aktienindex-Futures verwendet werden, um ein Aktienportfolio schnell auf- oder abzubauen.
Grenzen und Kritikpunkte
Trotz ihrer nützlichen Anwendungen sind Derivati nicht ohne Grenzen und Kritikpunkte. Ihre Komplexität und die Möglichkeit einer hohen Hebelwirkung können zu erheblichen Risiken führen.
- Komplexität und mangelnde Transparenz: Insbesondere Over-The-Counter (OTC)-Derivati können hochkomplex sein und es schwierig machen, die tatsächliche Exposition und das Gegenparteirisiko zu beurteilen. Die Finanzkrise von 2008 offenbarte erhebliche Schwächen im OTC-Derivatemarkt, einschließlich des Aufbaus großer Gegenparteirisiko-Expositionen und begrenzter Transparenz.
- **Hebelwirkung und Systemrisiko:3 Die inherente Hebelwirkung von Derivaten bedeutet, dass kleine Preisbewegungen des Basiswert zu großen Gewinnen oder Verlusten führen können. Im Falle großer, unkontrollierter Derivatepositionen kann dies ein systemisches Risiko für die gesamten Finanzmärkte darstellen, wie es bei der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 der Fall war, die durch eine massive Exposition gegenüber Derivaten wie Hypotheken-basierten Wertpapieren und Credit Default Swaps verschärft wurde.
- Gegenparteirisiko: Bei OTC-Deriv2aten besteht das Risiko, dass die Gegenpartei ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Dies wurde in der Finanzkrise 2008 zu einem kritischen Problem.
- Regulierungsherausforderungen: Die Regulierung von Derivaten ist eine ständige Herausforderung. Nach der Finanzkrise haben Regulierungsbehörden wie die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) Schritte unternommen, um den Derivatehandel zu modernisieren und das Risikomanagement zu verbessern.
Derivati vs. Terminkontrakt
Derivati sind ein weit gefasster Oberbegriff für alle Finanzkontr1akte, deren Wert von einem zugrunde liegenden Basiswert abhängt. Terminkontrakte, auch Futures genannt, sind eine spezifische Art von Derivaten. Der wesentliche Unterschied liegt in ihrer Spezifität und Standardisierung.
Terminkontrakte sind standardisierte Verträge, die an einer organisierten Börse gehandelt werden. Sie verpflichten den Käufer, einen Basiswert zu einem festgelegten Preis zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen, oder den Verkäufer, ihn zu verkaufen. Diese Standardisierung sorgt für Liquidität und Transparenz, und eine Clearingstelle garantiert die Erfüllung des Kontrakts, wodurch das Gegenparteirisiko minimiert wird.
Im Gegensatz dazu umfassen Derivati auch andere Typen wie Optionen (die ein Recht, aber keine Pflicht zum Kauf/Verkauf geben), Forwards (maßgeschneiderte OTC-Verträge, die nicht börsengehandelt sind und ein höheres Gegenparteirisiko bergen) und Swaps (Vereinbarungen zum Austausch von Cashflows). Während alle Terminkontrakte Derivate sind, sind nicht alle Derivate Terminkontrakte.
FAQs
Was ist der Hauptzweck von Derivaten?
Der Hauptzweck von Derivaten ist das Risikomanagement, insbesondere Hedging gegen unerwünschte Preisbewegungen von Basiswert. Sie werden aber auch intensiv für Spekulation und Arbitrage genutzt.
Sind Derivate riskant?
Ja, Derivate können sehr riskant sein, insbesondere aufgrund der Hebelwirkung, die sowohl Gewinne als auch Verluste erheblich verstärken kann. Gegenparteirisiko und mangelnde Transparenz bei einigen OTC-Derivaten tragen ebenfalls zum Risiko bei.
Wer nutzt Derivate?
Derivate werden von einer Vielzahl von Marktteilnehmern genutzt, darunter Unternehmen zur Absicherung von Geschäftsexpositionen, Investoren zum Handel oder zur Spekulation, Finanzinstitute zum Risikomanagement und zur Generierung von Erträgen, sowie Regierungen.
Was ist ein "Basiswert" bei Derivaten?
Der Basiswert ist das Finanzinstrument, der Index, der Rohstoff, die Währung oder jeder andere Vermögenswert, von dessen Preis oder Wert sich der Wert des Derivats ableitet. Beispiele sind Aktien, Anleihen, Rohstoffe wie Öl oder Gold, Zinssätze oder Aktienindizes.