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Gemeinguter

Was sind Gemeingüter?

Gemeingüter, im Deutschen oft synonym als öffentliche Güter oder Kollektivgüter bezeichnet, sind in der Volkswirtschaftslehre eine spezifische Kategorie von Gütern, die durch zwei zentrale Eigenschaften definiert sind: die Nicht-Rivalität im Konsum und die Nicht-Ausschließbarkeit. Diese Merkmale unterscheiden Gemeingüter von den meisten Gütern, die auf Märkten gehandelt werden, und führen häufig zu Marktversagen, da private Anbieter kaum Anreize haben, sie in einem effizienten Umfang bereitzustellen.

Nicht-Rivalität bedeutet, dass der Konsum des Gutes durch eine Person den Konsum desselben Gutes durch eine andere Person nicht verringert. Ein typisches Beispiel ist die Ausstrahlung eines Radioprogramms: Hört eine Person zu, hat dies keinen Einfluss auf die Möglichkeit einer anderen Person, dasselbe Programm zu hören. Nicht-Ausschließ6barkeit wiederum besagt, dass es nicht möglich oder äußerst kostspielig ist, Personen von der Nutzung des Gutes auszuschließen, selbst wenn sie nicht dafür bezahlen. Leuchttürme sind ein klassisches Beispiel: Sobald ein Leuchtturm in Betrieb ist, können Schiffe seinen Nutzen in Anspruch nehmen, ohne dass sie dafür bezahlen müssten. Die Bereitstellung von Gemeingütern ist eine Kernaufgabe der öffentlichen Hand im Bereich der Volkswirtschaftslehre.

Geschichte und Ursprung

Die systematische Behandlung von Gemeingütern als eigenständige Kategorie in der Wirtschaftswissenschaft begann im 20. Jahrhundert. Obwohl erste Überlegungen zur Natur öffentlicher Güter bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, erfolgte die präzise Definition und Analyse der Eigenschaften von Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit maßgeblich durch den Ökonomen Paul A. Samuelson. Seine bahnbrechende Arbeit "The Pure Theory of Public Expenditure" aus dem Jahr 1954 gilt als Fundament der modernen Theorie der Gemeingüter. Samuelson formalisierte, warum solche Gü5ter auf freien Märkten zu einer suboptimalen Versorgung führen und somit staatliches Handeln zur Erreichung der Effizienz notwendig machen.

Wichtigste Erkenntnisse

  • Zwei Kernmerkmale: Gemeingüter sind durch Nicht-Rivalität (der Konsum einer Person beeinträchtigt nicht den Konsum einer anderen) und Nicht-Ausschließbarkeit (es ist schwierig, Nichtzahler auszuschließen) gekennzeichnet.
  • Marktversagen: Aufgrund dieser Merkmale haben private Märkte oft Schwierigkeiten, Gemeingüter in der sozial optimalen Menge bereitzustellen, was zum Marktversagen führt.
  • Trittbrettfahrerproblem: Die Nicht-Ausschließbarkeit führt zum Trittbrettfahrerproblem, bei dem Individuen den Nutzen eines Gutes in Anspruch nehmen, ohne zu dessen Finanzierung beizutragen.
  • Staatliche Bereitstellung: Regierungen sind typischerweise für die Bereitstellung von Gemeingütern verantwortlich, oft finanziert durch Steuern.
  • Abgrenzung: Die klare Abgrenzung von Gemeingütern zu anderen Güterarten wie Privatgütern, Klubgütern oder Allmendegütern ist entscheidend für eine präzise ökonomische Analyse.

Formel und Berechnung

Während es keine einzelne Formel gibt, die "das Gemeingut" berechnet, ist die Bedingung für die optimale Bereitstellung eines Gemeinguts nach Samuelson eine zentrale mathematische Formulierung in der Volkswirtschaftslehre. Sie besagt, dass die Summe der marginalen Zahlungsbereitschaften aller Individuen für eine zusätzliche Einheit des Gemeinguts den Grenzkosten für die Bereitstellung dieser Einheit entsprechen muss.

Mathematisch ausgedrückt für zwei Individuen (A und B) und ein Gemeingut (G):

MRSG,XA+MRSG,XB=MRTG,X\text{MRS}_{G,X}^A + \text{MRS}_{G,X}^B = \text{MRT}_{G,X}

Wo:

  • (\text{MRS}{G,X}^A) und (\text{MRS}{G,X}^B) die marginalen Substitutionsraten von Individuum A und B zwischen dem Gemeingut (G) und einem privaten Gut (X) darstellen. Dies misst, wie viele Einheiten des privaten Gutes ein Individuum bereit wäre aufzugeben, um eine zusätzliche Einheit des Gemeinguts zu erhalten.
  • (\text{MRT}_{G,X}) die marginale Transformationsrate zwischen dem Gemeingut (G) und dem privaten Gut (X) ist. Dies gibt an, wie viele Einheiten des privaten Gutes aufgegeben werden müssen, um eine zusätzliche Einheit des Gemeinguts zu produzieren (oder die Grenzkosten des Gemeingutes in Einheiten des privaten Gutes).

Im Gegensatz zu Privatgütern, bei denen die individuellen marginalen Substitutionsraten dem Preisverhältnis und damit den Grenzkosten entsprechen, müssen bei Gemeingütern die individuellen Bewertungen summiert werden, um den gesamten sozialen Nutzen zu erfassen.

Interpretation von Gemeingütern

Die Interpretation von Gemeingütern geht über ihre bloße Definition hinaus und befasst sich mit ihren Auswirkungen auf die Ressourcenallokation und die Rolle des Staates. Da private Märkte aufgrund des Trittbrettfahrerproblems dazu neigen, Gemeingüter zu unterversorgen, ist die staatliche Bereitstellung oder Finanzierung oft notwendig, um ein sozial wünschenswertes Niveau zu erreichen. Dies geschieht typischerweise über Steuern oder Abgaben.

Ein weiteres wichtiges Element in der Interpretation ist das Konzept der Externalitäten. Gemeingüter erzeugen positive Externalitäten, da ihr Konsum anderen zugutekommt, ohne dass diese dafür direkt bezahlen. Die Herausforderung besteht darin, diese externen Effekte zu internalisieren, also in die ökonomischen Entscheidungen einzubeziehen, um eine effiziente Bereitstellung sicherzustellen. Die Bewertung des Nutzens von Gemeingütern kann komplex sein, da es keine direkten Marktpreise gibt, die die Präferenzen der Individuen widerspiegeln.

Hypothetisches Beispiel

Stellen Sie sich eine kleine Gemeinde vor, die von einer unbeleuchteten Straße durchquert wird. Nachts ist diese Straße gefährlich für Fußgänger und Autofahrer. Die Installation von Straßenlaternen würde die Sicherheit für alle Bewohner erhöhen.

  1. Nicht-Rivalität: Wenn eine Straßenlaterne leuchtet, profitieren alle, die die Straße benutzen, gleichzeitig davon. Die Helligkeit für einen Passanten wird nicht verringert, wenn ein weiterer Passant hinzukommt.
  2. Nicht-Ausschließbarkeit: Es ist praktisch unmöglich, jemanden davon abzuhalten, den Nutzen des Lichts einer Straßenlaterne in Anspruch zu nehmen, selbst wenn diese Person sich weigert, für die Laterne zu bezahlen.

Wenn die Gemeinde versuchen würde, die Straßenbeleuchtung über einen privaten Markt zu finanzieren, würden viele Bewohner versuchen, als Trittbrettfahrerproblem zu agieren, in der Hoffnung, dass andere für die Laternen bezahlen. Dies würde dazu führen, dass zu wenige oder gar keine Laternen installiert würden, obwohl der Gesamtnutzen für die Gemeinschaft den Kosten übersteigt.

Daher entscheidet sich die Gemeinde, die Straßenbeleuchtung über lokale Steuern zu finanzieren. Jeder Bürger zahlt einen kleinen Betrag, und die Straßenlaternen werden zum Wohle aller installiert, wodurch die Sicherheit und der soziale Nutzen für die gesamte Gemeinschaft steigen.

Praktische Anwendungen

Gemeingüter finden sich in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft, wo ihre Bereitstellung eine koordinierte Anstrengung erfordert, oft durch Staatsausgaben oder kollektive Maßnahmen:

  • Nationale Verteidigung: Dies ist das Paradebeispiel eines reinen Gemeinguts. Die Verteidigung eines Landes schützt alle Bürger gleichermaßen (Nicht-Rivalität) und niemand kann vom Schutz ausgeschlossen werden (Nicht-Ausschließbarkeit).
  • Infrastruktur: Während einige Aspekte der Infrastruktur (z.B. mautpflichtige Straßen) exkludierbar sein können, haben grundlegende öffentliche Straßen, Brücken und Beleuchtung oft Gemeingut-Charakter.
  • Wissenschaftliche Grundlagenforschung: Die Ergebnisse der Grundlagenforschung sind in der Regel nicht-rival und schwer exkludierbar, was zu breitem gesellschaftlichem Fortschritt führt.
  • Umweltschutz und saubere Luft/Wasser: Saubere Luft ist ein Umweltgüter, das von allen genutzt wird und dessen Reinigung allen zugutekommt, ohne dass jemand ausgeschlossen werden kann.
  • Gesetz und Ordnung: Ein funktionierendes Rechtssystem und die Polizei tragen zur Sicherheit und Stabilität bei, wovon alle Bürger profitieren.

Die OECD verfolgt und berichtet über die Staatsausgaben ihrer Mitgliedsländer für eine Vielzahl von öffentlichen Dienstleistungen, die viele Merkmale von Gemeingütern aufweisen, wie Bildung, Gesundheit und öffentliche Ordnung. Dies unterstreicht die fundamentale Rolle der Regierung bei der Bereitstellung dieser Güter.

Einschränkungen und Kritik

Die Theorie der Gemeingüt4er, obwohl grundlegend für die Volkswirtschaftslehre, ist nicht ohne Einschränkungen und Kritikpunkte. Eine wesentliche Kritik betrifft die Reinheit der Definition. Viele Güter sind keine "reinen" Gemeingüter, sondern "unreine" Gemeingüter oder Hybridgüter, die nur teilweise die Kriterien der Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit erfüllen. Die Technologie kann beispielsweise die Exkludierbarkeit eines Gutes verändern: Radioübertragungen waren einst rein nicht-exkludierbar, während verschlüsselte Satellitenradio-Dienste heute exkludierbar sind.

Eine weitere Kritik betrifft die Annahme, dass der Staat die optimale Menge eines Gemeinguts bereitstellen kann. In der Realität können politische Prozesse, Informat3ionsasymmetrien und die Schwierigkeit, die wahren Präferenzen der Bürger zu ermitteln, dazu führen, dass die staatliche Bereitstellung von Gemeingütern ineffizient ist oder nicht den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht. Kritiker betonen, dass selbst bei der Definition von Gemeingütern der Einfluss von Institutionen, Ideologien und Technologien berücksichtigt werden muss, was die Kategorisierung dynamischer macht, als die ursprüngliche Theorie nahelegt.

Schließlich kann die Fixierung auf die beiden Merkmale Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit die Komplexität der Ressourcenallokation übersehen. Es wird argumentiert, dass der Fokus auf Marktversagen zu einer Überbetonung der Notwendigkeit staatlicher Intervention führen kann, während alternative Lösungen wie freiwillige Beiträge, Philanthropie oder die Entwicklung neuer Exklusionsmechanismen im privaten Sektor unterschätzt werden könnten.

Gemeingüter vs. Privatgüter

Der wesentliche Unterschied zwischen Gemeingütern und Privatgütern liegt in ihren grundlegenden Eigenschaften:

MerkmalGemeingut (z.B. Nationale Verteidigung)Privatgut (z.B. ein Apfel)
RivalitätNicht-Rival im KonsumRival im Konsum (Der Konsum einer Person verringert die Verfügbarkeit für andere.)
AusschließbarkeitNicht-Ausschließbar im KonsumAusschließbar im Konsum (Es ist möglich, Personen von der Nutzung auszuschließen, wenn sie nicht bezahlen.)

Gemeingüter wie das Licht eines Leuchtturms oder die Ergebnisse der Grundlagenforschung können von vielen gleichzeitig genutzt werden, ohne dass ihr Nutzen für andere abnimmt (Nicht-Rivalität), und es ist schwierig, jemanden von ihrer Nutzung auszuschließen (Nicht-Ausschließbarkeit). Dies führt oft zum Trittbrettfahrerproblem und zur Unterversorgung durch den Markt.

Privatgüter hingegen sind rival (der Apfel, den Sie essen, kann nicht von jemand anderem gegessen werden) und exkludierbar (der Verkäufer kann Sie vom Kauf ausschließen, wenn Sie nicht bezahlen). Märkte sind sehr effizient in der Bereitstellung von Privatgütern, da der Anreiz, für den Konsum zu bezahlen, direkt mit dem exklusiven Nutzen verbunden ist. Die Verwechslung entsteht oft, weil "öffentlich" im allgemeinen Sprachgebrauch nicht immer "Gemeingut" im ökonomischen Sinne bedeutet (z.B. öffentliche Verkehrsmittel sind oft rival und exkludierbar).

FAQs

1. Ist Bildung ein Gemeingut?

Bildung ist in der Regel kein reines Gemeingut. Während grundlegende Bildung positive Externalitäten für die Gesellschaft schafft (z.B. eine gebildetere Arbeitskraft, informiertere Bürger), ist sie in ihrem Konsum rival (ein Lehrer kann nur eine bestimmte Anzahl von Schülern gleichzeitig unterrichten) und oft exkludierbar (Schulgebühren oder Zulassungsvoraussetzungen können den Zugang beschränken). Daher wird Bildung oft als "meritorisches Gut" bezeichnet, das aufgrund seiner positiven externen Effekte staatlich gefördert oder bereitgestellt wird, auch wenn es kein reines Gemeingut ist.

2. Warum führt die Bereitstellung von Gemeingütern zu Marktversagen?

Die Bereitstellung von Gemeingütern führt zu Marktversagen hauptsächlich aufgrund des Trittbrettfahrerproblem. Da es schwierig ist, Nichtzahler von der Nutzung eines Gemeinguts auszuschließen (Nicht-Ausschließbarkeit), haben Individuen einen Anreiz, das Gut zu nutzen, ohne dafür zu bezahlen. Wenn jeder so denkt, wird das Gut entweder gar nicht oder in einer unzureichenden Menge von privaten Anbietern bereitgestellt, selbst wenn der Gesamtnutzen für die Gesellschaft die Kosten übersteigen würde.

3. Was ist der Unterschied zwischen Gemeingütern und Allmendegütern?

Gemeingüter sind nicht-rival und nicht-ausschließbar. Allmendegüter (oder Gemeinressourcen) hingegen sind rival im Konsum, aber nicht-ausschließbar. Ein klassisches Beispiel sind Fischbestände im Meer: Der Fang eines Fisches durch einen Fischer reduziert die Anzahl der Fische, die andere Fischer fangen können (Rivalität), aber es ist schwierig, Fischer vom Zugang zum Meer auszuschließen (Nicht-Ausschließbarkeit). Dies kann zur "Tragödie der Allmende" führen, bei der die Ressourcenallokation übernutzt und abgebaut wird.

4. Wie können Gemeingüter finanziert werden?

Die gängigste Methode zur Finanzierung von Gemeingütern ist die Bereitstellung durch den Staat, finanziert durch Steuern. Dies gewährleistet, dass alle Bürg1er, die von dem Gut profitieren, anteilig zu dessen Kosten beitragen. Darüber hinaus können Subventionen, Gebühren oder Zölle (wenn eine Form der Exklusion möglich ist, um ein "unreines" Gemeingut zu finanzieren) sowie freiwillige Beiträge oder Philanthropie eine Rolle spielen, obwohl letztere oft nicht ausreichen, um eine optimale Bereitstellung sicherzustellen.

5. Welche Rolle spielt die Regulierung bei Gemeingütern?

Regulierung kann eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung und dem Management von Gemeingütern spielen, insbesondere wenn es um die Begrenzung negativer Externalitäten geht, die mit ihrer Nutzung verbunden sind (z.B. Umweltverschmutzung). Auch wenn Gemeingüter per Definition nicht-ausschließbar sind, können Vorschriften oder Lizenzen dazu beitragen, die Nutzung zu steuern und eine Überbeanspruchung oder Schädigung zu verhindern, die sonst zu einer suboptimalen Allokation führen würde.

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