Was ist die Konstante Wachstumsrate?
Die Konstante Wachstumsrate (KWR) ist eine Annahme, die in der Finanzmodellierung und Unternehmensbewertung verwendet wird, um vorherzusagen, dass eine bestimmte Finanzkennzahl, wie Dividenden oder Gewinne, über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg mit einer gleichbleibenden Rate wachsen wird. Diese Rate wird typischerweise im Kontext von Modellen wie dem Gordon Growth Model (GGM) angewendet, einem prominenten Dividendenmodell, um den inneren Wert einer Aktie zu bestimmen. Die Annahme der konstanten Wachstumsrate vereinfacht die Berechnung zukünftiger Cashflows, insbesondere über lange Anlagehorizonte, und ermöglicht so eine Bewertung reifer Unternehmen mit stabilen und vorhersehbaren Ausschüttungen.
Geschichte und Ursprung
Das Konzept der konstanten Wachstumsrate ist eng mit der Entwicklung von Discounted-Cashflow-Modellen (DCF-Modellen) verbunden, insbesondere mit dem Gordon Growth Model. Dieses Modell wurde 1956 von Professor Myron J. Gordon an der Universität Toronto entwickelt und veröffentlicht. Es bau5te auf früheren Arbeiten zur Wertpapierbewertung auf, die den Wert eines Vermögenswerts als Barwert seiner erwarteten zukünftigen Cashflows definierten. Die Annahme einer konstanten Wachstumsrate in diesem Modell ermöglichte es, eine unendliche Reihe zukünftiger Dividenden in eine handhabbare Formel zu überführen, was die Anwendung von Bewertungsmodellen erheblich vereinfachte und zugänglicher machte.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Konstante Wachstumsrate ist eine Kernannahme in der Wertpapierbewertung, insbesondere im Gordon Growth Model.
- Sie geht davon aus, dass Dividenden oder andere Cashflows unbegrenzt mit einer gleichmäßigen Rate steigen.
- Dieses Konzept ist am besten für die Bewertung reifer Unternehmen mit stabilen Dividendenausschüttungen geeignet.
- Die Genauigkeit der Bewertung hängt stark von der realistischen Schätzung der konstanten Wachstumsrate ab.
- Kleine Änderungen in der angenommenen Rate können zu erheblichen Unterschieden in der berechneten Bewertung führen.
Formel und Berechnung
Die Konstante Wachstumsrate findet ihre bekannteste Anwendung im Gordon Growth Model (GGM), das zur Berechnung des inneren Werts einer Aktie verwendet wird. Die Formel lautet wie folgt:
Wo:
- (P_0) = Aktueller innerer Wert der Aktie
- (D_1) = Erwartete Dividende pro Aktie für das nächste Jahr
- (r) = Erforderliche Erwartete Rendite (oder Diskontierungszinssatz / Kapitalkosten)
- (g) = Konstante Wachstumsrate der Dividende (muss kleiner sein als (r))
Die Konstante Wachstumsrate ((g)) wird oft aus historischen Daten abgeleitet oder als langfristige Wachstumsrate der Wirtschaft oder der Branche geschätzt.
Interpretation der Konstanten Wachstumsrate
Die Konstante Wachstumsrate wird als die Rate interpretiert, mit der ein Unternehmen seine Dividenden oder Gewinne langfristig und nachhaltig steigern kann. Ein höherer Wert für (g) in der GGM-Formel impliziert einen höheren inneren Wert der Aktie, da die zukünftigen Cashflows schneller wachsen. Die KWR muss jedoch kleiner sein als die erforderliche Rendite ((r)), da die Formel sonst eine unrealistische negative oder unendlich hohe Bewertung ergeben würde. Sie repräsentiert die Annahme einer stabilen und reifen Geschäftsphase des Unternehmens. Die realistische Einschätzung dieser Rate ist entscheidend für eine sinnvolle Finanzanalyse.
Hypothetisches Beispiel
Angenommen, Sie möchten den inneren Wert der Aktie eines fiktiven Unternehmens, "Stabile Dividenden AG", mithilfe der konstanten Wachstumsrate bewerten.
-
Schritt 1: Ermittlung der erwarteten Dividende im nächsten Jahr ((D_1))
Die Stabile Dividenden AG hat im aktuellen Jahr eine Dividende von 2,00 € pro Aktie gezahlt. Basierend auf ihrer Historie wird erwartet, dass die Dividende im nächsten Jahr um 3 % wächst.
(D_1 = 2,00 € \times (1 + 0,03) = 2,06 €) -
Schritt 2: Festlegung der konstanten Wachstumsrate ((g))
Sie schätzen, dass die Dividenden des Unternehmens langfristig mit einer konstanten Rate von 3 % pro Jahr wachsen werden.
(g = 0,03) -
Schritt 3: Bestimmung der erforderlichen Rendite ((r))
Basierend auf dem Risiko-Rendite-Profil des Unternehmens und Ihren Anlagezielen beträgt Ihre erforderliche Rendite 10 %.
(r = 0,10) -
Schritt 4: Anwendung der Formel
Der berechnete innere Wert der Aktie der Stabile Dividenden AG beträgt demnach etwa 29,43 €.
Praktische Anwendungen
Die Konstante Wachstumsrate findet in der Praxis hauptsächlich in der Finanzprognose und bei Bewertungsmodellen Anwendung.
- Aktienbewertung: Die prominenteste Anwendung ist das Gordon Growth Model, das den inneren Wert einer Aktie unter der Annahme einer konstant wachsenden Dividende in die Ewigkeit berechnet. Dieses Modell wird oft für reife Unternehmen mit einer etablierten Dividendenausschüttungspolitik verwendet.
- Unternehmensfinanzierung: Bei der Bewertung von Unt4ernehmen für Mergers & Acquisitions oder bei der Festlegung des Werts von privaten Unternehmen kann die KWR verwendet werden, um den Terminal Value (Endwert) der Cashflows abzuschätzen, d.h. den Wert des Unternehmens nach dem expliziten Prognosezeitraum.
- Kapitalbudgetierung: Obwohl seltener direkt angewende3t, können die Prinzipien der konstanten Wachstumsrate indirekt in der Discounted Cash Flow (DCF)-Analyse von Projekten oder Investitionen genutzt werden, um langfristige Einnahme- oder Kostenentwicklungen zu modellieren.
- Akademische Forschung: In der akademischen Welt dient die konstante Wachstumsrate als einfacher und effektiver Ansatz zur Untersuchung von Bewertungsprinzipien und zur Herleitung von Beziehungen zwischen Dividenden, Wachstumsraten und Aktienkursen.
Einschränkungen und Kritikpunkte
Die Annahme einer Konstanten Wachstumsrate ist ein starkes Vereinfachungsmodell und unterliegt mehreren wesentlichen Einschränkungen.
- Realitätsferne der Annahme: Es ist selten, dass Unterne2hmen ihre Dividenden oder Gewinne über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg mit einer absolut konstanten Rate steigern können. Geschäftszyklen, makroökonomische Veränderungen, Wettbewerb und technologische Fortschritte führen in der Regel zu Schwankungen der Wachstumsraten.
- Sensitivität der Ergebnisse: Das Modell ist äußerst empfindlich1 gegenüber kleinen Änderungen der eingegebenen Wachstumsrate ((g)) und der erforderlichen Rendite ((r)). Eine geringfügige Abweichung in der Schätzung dieser Raten kann zu erheblichen Unterschieden im berechneten Wert der Aktie führen.
- Nicht anwendbar für nicht-dividenden zahlende Unternehmen: Da die Formel auf Dividenden basiert, kann das Gordon Growth Model und damit die konstante Wachstumsrate nicht zur Bewertung von Unternehmen verwendet werden, die keine Dividenden ausschütten, wie viele junge Wachstumsaktien oder Unternehmen, die ihre Gewinne reinvestieren.
- Annahme (r > g): Die Formel erfordert zwingend, dass die erforderliche Rendite ((r)) größer ist als die Wachstumsrate ((g)). Ist dies nicht der Fall, führt die Berechnung zu negativen oder unendlich hohen Werten, die ökonomisch unsinnig sind. In Phasen hoher Wachstumsraten kann dies ein Problem darstellen.
- Vernachlässigung anderer Cashflows: Das Gordon Growth Model konzentriert sich ausschließlich auf Dividenden und ignoriert andere Formen von Cashflows an die Aktionäre, wie Aktienrückkäufe, die in modernen Finanzmärkten eine wichtige Rolle spielen.
Konstante Wachstumsrate vs. Nachhaltige Wachstumsrate
Obwohl beide Konzepte mit dem Wachstum von Unternehmen zu tun haben, unterscheiden sich die Konstante Wachstumsrate und die Nachhaltige Wachstumsrate in ihrem Fokus und ihrer Anwendung.
Merkmal | Konstante Wachstumsrate | Nachhaltige Wachstumsrate |
---|---|---|
Definition | Annahme eines gleichbleibenden Wachstums über unbestimmte Zeit, oft für Dividenden oder Gewinne. | Die maximale Rate, mit der ein Unternehmen wachsen kann, ohne externe Finanzierung aufnehmen zu müssen. |
Anwendung | Hauptsächlich in Bewertungsmodellen (z.B. Gordon Growth Model) zur Vereinfachung langfristiger Prognosen. | Beurteilung der internen Wachstumsfähigkeit und Finanzierungsstrategie eines Unternehmens. |
Berechnungsgrundlage | Eine exogene Annahme oder Schätzung, basierend auf historischen Daten oder Branchentrends. | Basiert auf der Gewinnthesaurierungsquote und der Eigenkapitalrendite (Return on Equity, ROE). |
Fokus | Projektion zukünftiger Cashflows für Bewertungszwecke. | Analyse der internen Finanzierung und des operativen Managements. |
Flexibilität | Oft als fixer Wert in der Ewigkeit angenommen; weniger flexibel. | Kann sich ändern, wenn sich die Gewinnthesaurierungsquote oder die Rentabilität des Eigenkapitals ändert. |
Während die Konstante Wachstumsrate eine rein modellhafte Annahme für die Bewertung ist, stellt die Nachhaltige Wachstumsrate eine realistische Kennzahl dar, die die Fähigkeit eines Unternehmens beschreibt, aus eigener Kraft zu wachsen, ohne die Bilanz oder die Schuldenstruktur zu belasten.
FAQs
Was ist der Hauptzweck der Annahme einer Konstanten Wachstumsrate?
Der Hauptzweck ist die Vereinfachung von Bewertungsmodellen, insbesondere für Unternehmen mit stabilen und vorhersehbaren Cashflows. Sie ermöglicht die Berechnung eines Barwerts einer unendlichen Reihe zukünftiger Zahlungen.
Für welche Art von Unternehmen ist die Konstante Wachstumsrate am besten geeignet?
Sie ist am besten für reife Unternehmen geeignet, die seit langem stabile und wachsende Dividenden ausschütten und deren Geschäftsmodell eine langfristige, konstante Entwicklung vermuten lässt. Unternehmen in schnelllebigen oder jungen Branchen passen weniger gut zu dieser Annahme.
Was passiert, wenn die erforderliche Rendite gleich oder kleiner als die Konstante Wachstumsrate ist?
Wenn die erforderliche Rendite ((r)) gleich oder kleiner als die Konstante Wachstumsrate ((g)) ist, führt die Formel des Gordon Growth Models zu einem mathematisch nicht sinnvollen Ergebnis (unendlich oder negativ), was darauf hindeutet, dass das Modell unter diesen Bedingungen nicht anwendbar ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer realistischen Finanzprognose.
Kann die Konstante Wachstumsrate für Gewinne oder Cashflows statt für Dividenden verwendet werden?
Ja, das Prinzip der konstanten Wachstumsrate kann auch auf andere Finanzkennzahlen wie Gewinne pro Aktie oder den Cashflow angewendet werden, insbesondere bei der Bestimmung des Terminal Value in Discounted Cash Flow (DCF)-Modellen. Die Annahme der Konstanz bleibt jedoch eine Vereinfachung.
Wie wird die Konstante Wachstumsrate in der Praxis ermittelt?
In der Praxis wird die Konstante Wachstumsrate oft aus historischen Wachstumsraten von Dividenden oder Gewinnen des Unternehmens abgeleitet, unter Berücksichtigung der langfristigen Erwartungen für die Branche und die Gesamtwirtschaft. Analysten können auch externe Prognosen für das Wirtschaftswachstum oder die Inflationsrate heranziehen.