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Mikroprudenziellen politik

Was ist Mikroprudentielle Politik?

Mikroprudentielle Politik ist ein Ansatz innerhalb der Finanzregulierung, der sich auf die Überwachung und Regulierung einzelner Finanzinstitute, wie Banken oder Versicherungen, konzentriert, um deren Stabilität und Solvenz sicherzustellen. Das primäre Ziel der mikroprudenziellen Politik ist es, die Sicherheit und Solidität jedes einzelnen Akteurs im Finanzsystem zu gewährleisten und somit das Risiko eines Ausfalls dieser Institutionen zu minimieren. Durch diese Aufsicht soll verhindert werden, dass die Probleme einer einzelnen Firma auf andere Teile des Systems übergreifen und die allgemeine Finanzstabilität gefährden.

Die Mikroprudenziellen Politik ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Bankenaufsicht und des breiteren Rahmens der Finanzregulierung. Sie beinhaltet die Festlegung und Durchsetzung von Regeln und Standards, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit einzelner Institute gegenüber finanziellen Schocks zu stärken.

Geschichte und Ursprung

Die Ursprünge der mikroprudenziellen Politik reichen weit zurück in die Geschichte der Finanzmärkte, da Regierungen und Aufsichtsbehörden schon immer bestrebt waren, die Sicherheit von Einlagen und die Stabilität von Banken zu gewährleisten. Mit der zunehmenden Komplexität und Vernetzung der globalen Finanzmärkte, insbesondere nach großen Finanzkrisen, wurde die mikroprudentielle Aufsicht kontinuierlich weiterentwickelt und gestärkt.

Ein bedeutender Wendepunkt war die globale Finanzkrise von 2007-2009. Diese Krise offenbarte erhebliche Mängel sowohl in der Regulierung einzelner Institute als auch in der übergreifenden Betrachtung systemischer Risiken. Als Reaktion darauf betonten Regulierungsbehörden weltweit die Notwendigkeit, die Kapitalanforderungen für Banken zu erhöhen und die Aufsichtspraktiken zu verbessern. Prominente Vertreter wie Daniel K. Tarullo, ein ehemaliges Mitglied des Board of Governors des Federal Reserve Systems, hoben die Bedeutung robuster Eigenkapitalanforderungen als zentrales Element einer guten Finanzregulierung hervor, da diese in der Lage sind, alle Arten potenzieller, auch unvorhergesehener, Verluste aufzufangen. Die Krise führte zu einer7 umfassenden Überprüfung und Stärkung der mikroprudenziellen Rahmenbedingungen, um sicherzustellen, dass einzelne Institute besser gegen Schocks gewappnet sind.

Kernpunkte

  • Fokus auf Einzeleinstitute: Mikroprudentielle Politik konzentriert sich auf die finanzielle Gesundheit und das Risikomanagement einzelner Banken, Versicherungen und anderer Finanzdienstleister.
  • Risikominderung: Sie zielt darauf ab, das Risiko des Scheiterns einzelner Institute zu minimieren, indem strenge Standards für Kapital, Liquidität und Risikomanagement gesetzt werden.
  • Regulierungsrahmen: Sie legt die Regeln für die Geschäftstätigkeit von Finanzinstituten fest, einschließlich ihrer Solvenz, internen Kontrollen und Offenlegungspflichten.
  • Verhinderung von Ansteckung: Eine starke mikroprudentielle Aufsicht soll verhindern, dass Probleme bei einem Institut auf andere übergreifen und eine breitere Krise auslösen.
  • Schutz der Einleger: Ein wesentlicher Aspekt ist der Schutz von Einlegern und Versicherungsnehmern vor Verlusten im Falle eines Institutszusammenbruchs.

Formel und Berechnung

Die Mikroprudenziellen Politik selbst ist kein numerischer Wert, der durch eine einzelne Formel berechnet wird. Stattdessen umfasst sie eine Vielzahl von regulatorischen Anforderungen und Kennzahlen, die auf die finanzielle Stärke und das Risikoprofil einzelner Institute abzielen. Diese Kennzahlen sind in der Regel in nationalen Gesetzen und internationalen Rahmenwerken wie Basel III festgelegt.

Ein zentraler Bestandteil sind die Kapitalanforderungen, die vorschreiben, wie viel Eigenkapital ein Finanzinstitut im Verhältnis zu seinen risikogewichteten Aktiva halten muss. Eine grundlegende Darstellung könnte die Form des regulatorischen Kapitals zeigen:

Regulatorisches Kapital=EigenkapitalRisikogewichtete Aktiva\text{Regulatorisches Kapital} = \frac{\text{Eigenkapital}}{\text{Risikogewichtete Aktiva}}

Dabei ist:

  • Eigenkapital: Das von den Eigentümern bereitgestellte Kapital des Instituts, das Verluste absorbieren kann.
  • Risikogewichtete Aktiva (RWA): Eine Kennzahl, die die Summe der Aktiva eines Instituts darstellt, wobei jedes Aktivum entsprechend seinem inhärenten Kreditrisiko, Marktrisiko und Operationellen Risiko gewichtet wird.

Ein weiteres Beispiel ist die Leverage Ratio, die eine einfache Kennzahl für die Verschuldung darstellt:

Leverage Ratio=Tier 1 KapitalBilanzsumme\text{Leverage Ratio} = \frac{\text{Tier 1 Kapital}}{\text{Bilanzsumme}}

Dabei ist:

  • Tier 1 Kapital: Das Kernkapital einer Bank, das am besten geeignet ist, Verluste aufzunehmen.
  • Bilanzsumme: Die Summe aller Aktiva auf der Bilanz des Instituts.

Diese Kennzahlen sind entscheidend, um die Solvenz und die Fähigkeit eines Instituts zur Absorption unerwarteter Verluste zu beurteilen.

Interpretation der Mikroprudenziellen Politik

Die Interpretation der Mikroprudenziellen Politik erfolgt durch die ständige Überwachung und Bewertung der Einhaltung regulatorischer Standards durch einzelne Finanzinstitute. Aufsichtsbehörden analysieren regelmäßig Finanzberichte, führen Vor-Ort-Prüfungen durch und bewerten die internen Modelle für das Risikomanagement der Institute.

Ein hohes Maß an Einhaltung der mikroprudenziellen Anforderungen deutet darauf hin, dass ein Institut robust ist und seine Risiken, wie Kreditrisiko und operationelles Risiko, angemessen steuert. Abweichungen von diesen Standards können zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen führen, wie der Forderung nach erhöhten Kapitalpuffern oder der Auferlegung von Beschränkungen für bestimmte Geschäftsaktivitäten. Die effektive Umsetzung der mikroprudenziellen Politik ist entscheidend, um die individuelle Stabilität und Widerstandsfähigkeit jedes Finanzinstituts zu gewährleisten und somit indirekt zur Stabilität des gesamten Finanzsystems beizutragen.

Hypothetisches Beispiel

Stellen Sie sich eine kleine Regionalbank, die "RegioBank", vor. Die RegioBank ist den mikroprudenziellen Vorschriften unterworfen, die von der nationalen Bankenaufsicht festgelegt wurden. Eine dieser Vorschriften besagt, dass die Bank eine Mindestkapitalquote von 8 % der risikogewichteten Aktiva einhalten muss.

Im Laufe des Jahres vergibt die RegioBank neue Kredite in Höhe von 100 Millionen Euro, von denen angenommen wird, dass sie risikogewichtete Aktiva von 80 Millionen Euro generieren (nach Berücksichtigung der Risikogewichte für die verschiedenen Arten von Derivaten und Krediten). Um die 8 %-Regel einzuhalten, müsste die RegioBank zusätzliches Eigenkapital von 8 % von 80 Millionen Euro, also 6,4 Millionen Euro, halten.

Wenn die RegioBank nur 5 Millionen Euro an neuem Eigenkapital aufbringen kann, würde ihre Kapitalquote unter den geforderten 8 % liegen. Die Aufsichtsbehörde würde dies als Verstoß gegen die mikroprudenziellen Vorschriften einstufen und Maßnahmen ergreifen. Dies könnte bedeuten, dass die RegioBank angewiesen wird, weiteres Kapital zu beschaffen, risikoreichere Aktiva zu reduzieren oder bestimmte Geschäftsaktivitäten einzustellen, bis die Einhaltung der Vorschriften wiederhergestellt ist. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie mikroprudentielle Politik direkt in die operativen Entscheidungen einzelner Institute eingreift, um deren Solvenz zu sichern.

Praktische Anwendungen

Die Mikroprudenziellen Politik findet breite Anwendung in der Finanzregulierung und -aufsicht weltweit. Ihre Hauptanwendungsbereiche umfassen:

  • Bankenregulierung: Dies ist der prominenteste Bereich, in dem die mikroprudentielle Politik eingesetzt wird. Aufsichtsbehörden legen strenge Regeln für die Kapitalanforderungen, die Risikokontrolle, die Unternehmensführung und die Offenlegung von Informationen fest, um die Solvenz und Liquidität jeder einzelnen Bank zu sichern. Ein prominentes Beispiel auf europäischer Ebene ist der Single Supervisory Mechanism (SSM), der seit 2014 die direkte Aufsicht über bedeutende Banken im Euroraum durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Aufsichtsbehörden sicherstellt.
  • Versicherungsaufsicht: Ähnlich wie bei Banken werden auch Versicherungsunterne6hmen mikroprudenziell beaufsichtigt, um sicherzustellen, dass sie über ausreichende Reserven und Kapital verfügen, um zukünftige Verpflichtungen gegenüber ihren Versicherungsnehmern erfüllen zu können.
  • Wertpapieraufsicht: Obwohl der Fokus hier stärker auf dem Anlegerschutz und der Marktintegrität liegt, beinhalten Wertpapieraufsichtsbehörden auch mikroprudentielle Aspekte, indem sie beispielsweise Eigenkapitalanforderungen für Broker-Dealer und Clearinghäuser festlegen.
  • Risikomanagement-Standards: Die mikroprudentielle Politik treibt die Entwicklung und Implementierung robuster Risikomanagement-Systeme innerhalb einzelner Finanzinstitute voran, um deren Fähigkeit zu verbessern, Risiken zu identifizieren, zu messen, zu überwachen und zu steuern.

Diese Anwendungen gewährleisten, dass einzelne Finanzinstitute die notwendigen Puffer und Kontrollen aufweisen, um unerwartete Verluste zu absorbieren und ihre Kernfunktionen auch in Stresszeiten aufrechtzuerhalten.

Grenzen und Kritik

Obwohl die Mikroprudenziellen Politik unerlässlich für die Stabilität einzelner Finanzinstitute ist, hat sie auch ihre Grenzen und ist Gegenstand von Kritik:

  • Fehlendes Systemrisikomanagement: Eine wesentliche Kritik an der Mikroprudenziellen Politik vor der globalen Finanzkrise war, dass sie das "Wald-und-Bäume-Problem" nicht ausreichend berücksichtigte. Das heißt, selbst wenn jedes einzelne Institut solide ist, kann das Finanzsystem als Ganzes anfällig für systemische Risiken sein. Risiken können sich durch die Vernetzung von Instituten, gemeinsame Engagements oder prozyklisches Verhalten aufbauen, die die mikroprudentielle Aufsicht übersehen könnte. Die Deutsche Bundesbank hebt hervor, dass die Überwachung von Risiken und die Widerstandsfähigkeit einzelner Finanzunternehmen allein nicht ausreichen, um die Finanzstabilität zu gewährleisten.
  • Prozyklizität: Mikroprudentielle Maßnahmen, wie die Erhöhung der Kapitalanforderungen in wirtschaftlichen Ab5schwüngen, können prozyklisch wirken. Wenn Banken gezwungen sind, ihre Kreditvergabe in einer Rezession zu reduzieren, um die Kapitalanforderungen zu erfüllen, kann dies die wirtschaftliche Kontraktion verschärfen. Dies kann auch das Liquiditätsrisiko im Markt erhöhen.
  • Regulierungsarbitrage: Strenge mikroprudentielle Regeln können Anreize für Finanzinstitute schaffen, risikoreiche Aktivitäten in weniger regulierte Bereiche oder Jurisdiktionen zu verlagern, um die Vorschriften zu umgehen. Dies kann neue Schwachstellen im Finanzsystem schaffen.
  • Komplexität und Kosten: Die Implementierung und Einhaltung mikroprudenzieller Vorschriften kann für Finanzinstitute, insbesondere kleinere, sehr komplex und kostspielig sein. Dies kann zu Wettbewerbsnachteilen führen und Innovationen behindern.
  • Fokus auf Quantität über Qualität: Kritiker argumentieren, dass sich die Aufsicht manchmal zu stark auf quantitative Metriken (z. B. Kapitalquoten) konzentriert, anstatt die Qualität des Risikomanagements und der Unternehmensführung zu bewerten. Daniel K. Tarullo vom Federal Reserve System hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine zu starke Konzentration auf Kapitalanforderungen andere wichtige Reformen im Finanzsystem in den Hintergrund drängen kann, wie die Eindämmung der Verflechtungen, die Bändigung von Derivaten und die Begrenzung des Leverage-Effekts.

Diese Kritikpunkte unterstreichen die Notwendigkeit eines umfassenderen Ansatzes für die Finanzstabilität, der die Makroprudenziellen Poli4tik einschließt.

Mikroprudentielle Politik vs. Makroprudentielle Politik

Mikroprudentielle Politik und Makroprudentielle Politik sind beide Säulen der Finanzregulierung, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele und verwenden unterschiedliche Ansätze:

MerkmalMikroprudentielle PolitikMakroprudentielle Politik
ZielGewährleistung der Sicherheit und Solidität einzelner Finanzinstitute, um deren Ausfallrisiko zu minimieren und den Schutz der Einleger zu gewährleisten.Gewährleistung der Stabilität des gesamten Finanzsystems, um systemische Risiken zu begrenzen und die negativen Auswirkungen von Finanzschocks auf die Realwirtschaft zu verhindern.
FokusEinzelne Finanzinstitute (z.B. Banken, Versicherungen)Das gesamte Finanzsystem und dessen Wechselwirkungen, einschließlich der Verflechtungen zwischen Instituten, Märkten und Infrastrukturen.
RisikotypIndividuelle Risiken (Kreditrisiko, Marktrisiko, Operationelles Risiko, Liquiditätsrisiko) eines jeden Instituts.Systemische Risiken (prozyklisches Verhalten, Ansteckungseffekte, Konzentrationen, zu große Institute, die gerettet werden müssen – "Too Big To Fail").
InstrumenteEigenkapitalanforderungen, Liquiditätsvorschriften, Risikomanagement-Standards, Solvenzvorschriften, interne Governance-Regeln, Einlagensicherung.Antizyklische Kapitalpuffer, Loan-to-Value (LTV) und Debt-to-Income (DTI) Begrenzungen für Kredite, Sektorale Risikogewichte, Aufschläge für systemrelevante Institute. Auch die Geldpolitik kann Wechselwirkungen mit der makroprudenziellen Politik haben. 3
BeispielEine Bank muss eine bestimmte Kapitalquote einhalten, um Verluste aus ihren Krediten zu absorbieren.Eine Zentralbank erhöht den antizyklischen Kapitalpuffer für alle Banken, wenn das Kreditwachstum exzessiv wird, um eine Blasenbildung zu verhindern.

Die Makroprudenziellen Politik wurde als notwendige Ergänzung zur Mikroprudenziellen Politik entwickelt, da die Finanzkrise zeigte, dass die Stabilität einzelner Institute allein nicht ausreicht, um die Stabilität des gesamten Finanzsystems zu gewährleisten.,

FAQs

Was ist der Hauptunterschied zwischen mikroprudenzieller und makroprudenzieller Politik?

Der Hauptunterschied liegt im Fokus: Mikroprudentielle Politik2 1konzentriert sich auf die Stabilität einzelner Finanzinstitute, während Makroprudentielle Politik die Stabilität des gesamten Finanzsystems im Blick hat, um systemische Risiken zu verhindern.

Welche Rolle spielen Kapitalanforderungen in der Mikroprudenziellen Politik?

Kapitalanforderungen sind ein Kerninstrument der mikroprudenziellen Politik. Sie stellen sicher, dass Finanzinstitute über ausreichend Eigenkapital verfügen, um unerwartete Verluste zu absorbieren und ihre Solvenz zu erhalten.

Wie schützt die Mikroprudentielle Politik die Verbraucher?

Indem sie die Stabilität einzelner Banken und Finanzdienstleister gewährleistet, schützt die mikroprudentielle Politik die Einlagen von Sparern (oft zusätzlich durch eine Einlagensicherung) und stellt sicher, dass Versicherungsverträge erfüllt werden können.

Wer ist für die Mikroprudentielle Politik zuständig?

In der Regel sind nationale Aufsichtsbehörden und Zentralbanken für die Umsetzung und Durchsetzung der mikroprudenziellen Politik zuständig. In Europa teilen sich beispielsweise die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Aufsichtsbehörden die Zuständigkeit im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM).

Kann die Mikroprudentielle Politik allein eine Finanzkrise verhindern?

Die globale Finanzkrise hat gezeigt, dass die Mikroprudentielle Politik allein nicht ausreicht, um eine Finanzkrise zu verhindern. Obwohl sie die Widerstandsfähigkeit einzelner Institute stärkt, adressiert sie nicht direkt die systemischen Risiken, die aus der Vernetzung und dem kollektiven Verhalten von Finanzakteuren entstehen können. Daher ist sie eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Finanzstabilität.