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Implizite volatilitc3a4t

Was ist Implizite Volatilität?

Die Implizite Volatilität ist ein prognostischer Wert, der die erwartete Schwankungsbreite des Kurses eines Basiswerts eines Finanzderivats, typischerweise einer Option, über eine bestimmte zukünftige Periode hinweg widerspiegelt. Sie ist ein zentrales Konzept im Bereich des Optionshandels und der Finanzmodellierung und gehört zur breiteren Kategorie der Finanzderivate. Anders als die historische Volatilität, die auf vergangenen Preisbewegungen basiert, wird die Implizite Volatilität aus den aktuellen Marktpreisen von Optionen abgeleitet. Sie ist ein entscheidender Faktor bei der Preisbildung von Optionen, da sie direkt beeinflusst, wie hoch die Optionsprämie ist, die Anleger bereit sind, für eine Call-Option oder eine Put-Option zu zahlen.

Geschichte und Ursprung

Die Möglichkeit, die Implizite Volatilität zu berechnen, entstand maßgeblich mit der Entwicklung formaler Optionspreismodelle. Ein entscheidender Durchbruch war das Black-Scholes-Modell, das von Fischer Black und Myron Scholes entwickelt und 1973 in ihrem Artikel "The Pricing of Options and Corporate Liabilities" veröffentlicht wurde. Dieses Model3l ermöglichte die theoretische Bewertung europäischer Optionen. Obwohl das Black-Scholes-Modell die Volatilität als einen Inputfaktor benötigt, war die praktische Anwendung oft umgekehrt: Aus dem beobachteten Marktpreis einer Option, dem Strike-Preis, dem Verfallsdatum, dem aktuellen Kurs des Underlying Asset und dem risikofreien Zinssatz konnte die Volatilität abgeleitet werden, die der Markt für diesen Optionspreis impliziert. Diese abgeleitete Größe ist die Implizite Volatilität. Ihre Verbreitung und Bedeutung wuchs exponentiell mit der Standardisierung und dem Wachstum des Optionshandels an Börsen wie der Chicago Board Options Exchange (CBOE).

Kernpunkte

  • Die Implizite Volatilität ist ein aus Optionspreisen abgeleitetes Maß für die vom Markt erwartete zukünftige Preisfluktuation eines Basiswerts.
  • Sie wird als Inputgröße in Optionspreismodellen verwendet, kann aber auch aus den am Markt beobachteten Optionspreisen "rückwärts" berechnet werden.
  • Eine höhere Implizite Volatilität bedeutet in der Regel höhere Optionspreise, da die Wahrscheinlichkeit extremer Preisbewegungen zunimmt.
  • Sie dient als Indikator für die Erwartungen und das "Stimmungsbild" der Marktteilnehmer bezüglich zukünftiger Risiken.
  • Die Implizite Volatilität ist dynamisch und ändert sich ständig mit den Angebot- und Nachfragebedingungen am Optionsmarkt.

Formel und Berechnung

Die Implizite Volatilität kann nicht direkt aus einer einfachen Formel berechnet werden. Stattdessen wird sie iterativ aus einem Optionspreismodell wie dem Black-Scholes-Modell abgeleitet. Das Black-Scholes-Modell berechnet den theoretischen Optionspreis (C für Calls, P für Puts) basierend auf mehreren Inputs, darunter die Volatilität ((\sigma)). Um die Implizite Volatilität zu finden, setzt man den tatsächlich am Markt beobachteten Optionspreis in die Black-Scholes-Formel ein und löst dann iterativ nach (\sigma) auf, da keine direkte algebraische Lösung existiert.

Die Black-Scholes-Formel für eine europäische Call-Option lautet:

C=S0N(d1)KerTN(d2)C = S_0 N(d_1) - Ke^{-rT} N(d_2)

Wobei:

d1=ln(S0/K)+(r+σ2/2)TσTd_1 = \frac{\ln(S_0/K) + (r + \sigma^2/2)T}{\sigma\sqrt{T}} d2=d1σTd_2 = d_1 - \sigma\sqrt{T}

Und für eine europäische Put-Option:

P=KerTN(d2)S0N(d1)P = Ke^{-rT} N(-d_2) - S_0 N(-d_1)

Variablen:

  • (C): Theoretischer Call-Optionspreis
  • (P): Theoretischer Put-Optionspreis
  • (S_0): Aktueller Kurs des Basiswerts
  • (K): Strike-Preis der Option
  • (T): Restlaufzeit bis zum Verfallsdatum (in Jahren)
  • (r): Risikofreier Zinssatz
  • (\sigma): Volatilität des Basiswerts (die Implizite Volatilität, die wir suchen)
  • (N(x)): Kumulative Standardnormalverteilungsfunktion

Um die Implizite Volatilität zu finden, wird der beobachtete Optionspreis als (C) oder (P) eingesetzt und die Gleichung numerisch nach (\sigma) gelöst (z.B. mittels Newtonscher Iteration).

Interpretation der Impliziten Volatilität

Die Implizite Volatilität ist ein zentrales Maß für die Risikoeinschätzung der Marktteilnehmer. Ein hoher Wert der Impliziten Volatilität deutet darauf hin, dass der Markt in den kommenden Monaten größere Preisschwankungen für das Underlying Asset erwartet. Dies kann ein Zeichen für Unsicherheit oder die Erwartung bedeutender Ereignisse sein. Umgekehrt signalisiert eine niedrige Implizite Volatilität eine Erwartung stabilerer oder weniger stark schwankender Preise.

Anleger nutzen die Implizite Volatilität, um Optionen zu bewerten und potenzielle Handelsstrategien zu entwickeln. Wenn die Implizite Volatilität hoch ist, sind Optionen teurer, da das Potenzial für große Preisbewegungen und somit für Gewinne (aber auch Verluste) als höher eingeschätzt wird. Ein Optionshändler könnte dann Strategien in Betracht ziehen, die von einem Rückgang der Volatilität profitieren, oder Optionen verkaufen, um die hohe Optionsprämie zu vereinnahmen. Ist die Implizite Volatilität niedrig, sind Optionen günstiger, und ein Händler könnte geneigt sein, Optionen zu kaufen, in der Erwartung, dass die Volatilität steigen wird. Das Verständnis dieses Zusammenhangs ist entscheidend für das Risikomanagement im Derivatehandel.

Hypothetisches Beispiel

Nehmen wir an, Sie sind an einer Call-Option auf die Aktie "Tech Innovations AG" interessiert. Der aktuelle Aktienkurs ((S_0)) beträgt 100 EUR. Eine Call-Option mit einem Strike-Preis ((K)) von 105 EUR und einem Verfallsdatum in 3 Monaten (0,25 Jahre) wird derzeit zu einem Optionspreis von 3,50 EUR gehandelt. Der risikofreie Zinssatz ((r)) beträgt 1% pro Jahr (0,01).

Um die Implizite Volatilität zu bestimmen, würden wir diese Werte in die Black-Scholes-Formel einsetzen und iterativ die Volatilität ((\sigma)) suchen, die zu einem theoretischen Optionspreis von 3,50 EUR führt.

  • Gegeben:

    • (S_0 = 100) EUR
    • (K = 105) EUR
    • (T = 0,25) Jahre
    • (r = 0,01)
    • Beobachteter Optionspreis (C_{Markt} = 3,50) EUR
  • Ziel: Finde (\sigma), sodass (C_{Black-Scholes}(\sigma) = 3,50).

Mittels eines Optionspreisrechners oder numerischer Methoden (z.B. Excel Solver) würden wir feststellen, dass eine Implizite Volatilität von ungefähr 30% (oder 0,30) diesen Optionspreis rechtfertigen würde. Dies bedeutet, dass der Markt eine jährliche Standardabweichung von 30% für die Rendite der Tech Innovations AG-Aktie über die nächsten drei Monate erwartet, um den aktuellen Optionspreis zu erklären.

Praktische Anwendungen

Die Implizite Volatilität findet in verschiedenen Bereichen der Finanzmärkte Anwendung:

  • Optionsbewertung: Sie ist eine kritische Inputgröße für Optionspreismodelle. Abweichungen zwischen der Impliziten Volatilität und der erwarteten zukünftigen Volatilität können Gelegenheiten für Arbitrage oder Handelsstrategien aufzeigen.
  • Indikatoren für Marktstimmung: Volatilitätsindizes wie der CBOE Volatility Index (VIX), oft als "Angst-Index" bezeichnet, sind direkt aus der Impliziten Volatilität von S&P 500 Optionen abgeleitet. Der VIX misst die vom Markt erwartete 30-Tage-Volatilität des US-Aktienmarktes und ist ein weit beachteter Indikator für Marktunsicherheit und Anlegerstimmung.
  • Risikomanagement: Analysten und Portfoliomanager nutzen die Implizite Volatilität, um das Risiko in einem P2ortfolio zu überwachen. Ein Anstieg der Impliziten Volatilität über alle Vermögenswerte hinweg kann auf erhöhte Marktunsicherheit hinweisen und zur Anpassung von Risikomanagement-Strategien führen.
  • Strategische Entscheidungen: Unternehmen können die Implizite Volatilität ihrer eigenen Aktien beobachten, um Einblicke in die Markterwartungen bezüglich ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu gewinnen.

Einschränkungen und Kritikpunkte

Obwohl die Implizite Volatilität ein nützliches Werkzeug ist, weist sie auch Einschränkungen auf:

  • Modellabhängigkeit: Die Berechnung der Impliziten Volatilität basiert auf Optionspreismodellen (wie Black-Scholes), die bestimmte Annahmen treffen (z.B. konstante Volatilität, normale Verteilung der Renditen, keine Dividendenzahlungen). In der Realität weichen Marktpreise oft von diesen Annahmen ab, was zu einer "Volatilitäts-Smile" oder "Volatilitäts-Skew" führt, bei der die Implizite Volatilität für verschiedene Strike-Preise und Verfallsdaten variiert.
  • Keine Garantie für zukünftige Bewegungen: Die Implizite Volatilität ist eine Erwartung des Marktes, keine garantierte Vorhersage. Die tatsächliche zukünftige Volatilität kann erheblich abweichen. Eine Studie aus dem Jahr 1999 stellte fest, dass die Implizite Volatilität kaum mit der zukünftigen Volatilität korreliert und Informationen aus beobachteten vergangenen Volatilitäten nicht vollständig berücksichtigt.
  • Beeinflussung durch Angebot und Nachfrage: Die Implizite Volatilität kann auch durch die Dynamik von Angebot und Nachfrage im Optionsmarkt verze1rrt werden, unabhängig von reinen Volatilitätserwartungen. Ungleichgewichte zwischen Käufern und Verkäufern können den Optionspreis beeinflussen und somit die abgeleitete Implizite Volatilität verzerren.
  • Liquiditätseffekte: Für illiquide Optionen oder Optionen mit weitem Strike-Preis oder sehr kurzer/langer Laufzeit kann die Implizite Volatilität unzuverlässig sein, da die zugrunde liegenden Optionspreise selbst nicht robust sind.

Implizite Volatilität vs. Historische Volatilität

Die Implizite Volatilität und die Historische Volatilität sind beides Maße für die Volatilität eines Vermögenswerts, unterscheiden sich jedoch grundlegend in ihrer Berechnung und ihrer Aussagekraft.

MerkmalImplizite VolatilitätHistorische Volatilität
BerechnungAus aktuellen Optionspreisen iterativ abgeleitet.Basierend auf vergangenen Preisbewegungen des Basiswerts.
AussagekraftZukunftsgerichtet; spiegelt die Markterwartungen wider.Vergangenheitsorientiert; misst vergangene Schwankungen.
InterpretationIndikator für Marktstimmung und erwartetes Risiko.Maß für die tatsächliche Schwankung in der Vergangenheit.
NutzungFür die Preisbildung von Optionen, zur Bewertung der relativen "Teuerheit" von Optionen.Zur Analyse vergangener Risiken, als Basis für Prognosen (aber nicht direkt abgeleitet).

Während die Historische Volatilität eine objektive Messgröße vergangener Preisbewegungen ist, ist die Implizite Volatilität subjektiver und dynamischer, da sie die kollektive Erwartung aller Marktteilnehmer über die zukünftige Volatilität widerspiegelt. Anleger vergleichen oft beide Werte, um zu beurteilen, ob der Markt die zukünftige Volatilität über- oder unterschätzt.

FAQs

Was ist der Unterschied zwischen Impliziter Volatilität und der VIX?
Der VIX (Cboe Volatility Index) ist ein spezifischer Volatilitätsindex, der die erwartete 30-Tage-Volatilität des S&P 500 Index misst. Er wird aus den Optionspreisen einer breiten Palette von S&P 500 Finanzderivaten abgeleitet und ist somit eine Form der Impliziten Volatilität. Er ist ein weit beachteter Stimmungsindikator für den gesamten US-Aktienmarkt.

Warum ändert sich die Implizite Volatilität ständig?
Die Implizite Volatilität ändert sich ständig, weil sie direkt aus den aktuellen Marktpreisen von Optionen abgeleitet wird. Diese Optionspreise unterliegen einem ständigen Wandel aufgrund von Angebot und Nachfrage, neuen Informationen, Gewinnmeldungen, Zinsänderungen, Nachrichtenereignissen und der allgemeinen Marktstimmung. Jede Änderung im Optionspreis wirkt sich auf die abgeleitete Implizite Volatilität aus.

Kann die Implizite Volatilität negativ sein?
Nein, die Implizite Volatilität kann niemals negativ sein. Volatilität ist ein Maß für die Streuung oder Schwankungsbreite der Preise, und die Streuung kann nicht negativ sein. Im Optionspreismodell ist die Volatilität als Standardabweichung definiert, die immer positiv ist. Auch ein Wert von Null wäre theoretisch nur dann gegeben, wenn es absolut keine Preisbewegung gäbe, was in der Praxis nicht vorkommt.

Wie nutzen Optionshändler die Implizite Volatilität?
Optionshändler nutzen die Implizite Volatilität, um die relative Bewertung von Optionen zu beurteilen. Ist die Implizite Volatilität eines bestimmten Underlying Asset im Vergleich zu ihrer historischen Norm oder zu anderen ähnlichen Vermögenswerten hoch, könnten Händler Optionen als "teuer" betrachten und Handelsstrategien implementieren, die vom Verkauf von Optionen profitieren (z.B. Straddle-Verkauf). Ist sie niedrig, könnten Optionen als "billig" angesehen werden, was zum Kauf von Optionen anregen könnte (z.B. Straddle-Kauf). Sie ist auch ein Schlüssel für das Risikomanagement, um das Expositionsrisiko gegenüber Volatilitätsänderungen zu steuern.

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